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Kampf der Robotergiganten#

Im ersten Kampf zwischen zwei Humanoiden aus Japan und den USA ging es nicht bloß um eine weitere Spinnerei. Eine der großen Science-Fiction-Fantasien ist damit nicht nur in die virtuelle Welt gehievt, sondern endlich auch die reale.#


Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Wiener Zeitung, 26. Juni 2018

Von

Felix Lill


MegaBot at Maker Faire 2015
MegaBot at Maker Faire 2015
Foto: Grendelkhan. Aus: Wikicommons, unter CC BY-SA 3.0

Wer in Tokio war und ein bisschen etwas für Technik übrig hat, der wird schon vor diesem Riesenroboter gestanden sein. Jeder Japantourist sollte ihn kennen. Gundam heißt er, benannt nach dem gleichnamigen japanischen Anime-Universum. Er ragt direkt vor einem achtstöckigen Einkaufszentrum und lässt dies aus der Nähe fast klein wirken. Und wenn man so davorsteht, zum Kopf dieses Giganten aufschaut, muss man an all die Science-Fiction-Storys mit Robotern und Maschinenmutanten denken, sich träumend fragen: Wie wäre das wohl, im Kopf so eines Kampfroboters zu sitzen, ihn zu steuern?

Mittlerweile ist das kein Traum mehr. Kürzlich fand, an einem geheimen Ort zu einer geheimen Zeit, ein Kampf zwischen zwei durch Menschen gesteuerten Robotern statt. Die Kontrahenten sind der US-amerikanische Roboterbauer Megabots und der japanische Konstrukteur Suidobashi Heavy Industries. Beide Unternehmen stellen solche Maschinen her, mit denen sie eines vielleicht Tages regelmäßige Turniere organisieren wollen. Das jetzige Duell könnte der erste Schritt sein.

Die Provokation ging vor zwei Jahren von den USA aus, wo sich die Tüftler mit dem älteren Vorbild aus Japan messen wollten: "Suidobashi, wir haben einen riesigen Roboter, ihr habt einen riesigen Roboter. Ihr wisst, was jetzt passieren muss. Wir fordern euch zu einem Duell heraus." Kogoro Kurata, Chef von Suidobashi Heavy Industries, stieg ein. "Irgendwas in großen Dimensionen bauen und Gewehre ranstecken. Typisch amerikanisch." Er könne das nicht nur besser, er werde auch die nationale Ehre verteidigen. "Riesenroboter sind eine Sache aus Japan. Dieses Match dürfen wir nicht verlieren." Die einzige Bedingung von Kogoro Kurata für die Schlacht: Im Mêlée-Stil müsste sie sein, also Nahkampf, ohne irgendwelche einengenden Regeln. Das ist auch schon eine der ersten Kuriositäten dieses Duells: Beide Hersteller wussten nicht so recht, worauf sie sich beim Gegenüber vorbereiten sollen. Einige Videos kursieren seit langem online, aber wären diese Modelle schon komplett?

Schrotflinte mit Wasserpatronen#

Über den japanischen Roboter Kuratas ist ungefähr so viel bekannt gewesen, dass er 13 Fuß hoch ist, auf Rollen fährt und eine Höchstgeschwindigkeit von zehn Stundenkilometern erreicht. Durch die eigens entwickelte Software V-Sido kann man vom in der Mitte befindlichen Cockpit aus den Torso und die Arme bewegen.

Die vier Rollen lassen sich zusammen- und auseinanderfahren, wodurch die Höheposition des Cockpits verstellbar wird. Der Motor tankt Diesel. Und dann sind da die Waffen: Der "Lohas Launcher" - angeblich ökofreundlich und sicher für Menschen, trotzdem aber gefährlich für andere Roboter - schießt Wasserpatronen. Sonderlich zielgenau soll er nicht sein, eher gemäß dem Schrotflintenprinzip. Hinzu kommt die "Twin Gatlin Gun", die 600 Bleipatronen in der Minute abfeuern kann. Ausgelöst wird sie durch ein Lächeln des Piloten im Cockpit, identifiziert durch eine mit dem System V-Sido verbundene Kamera. An der Außenseite von Kuratas lässt sich wiederum der Feind durch ein Trackingsystem per Kamera einfangen und anvisieren.

Megabots meint, das toppen zu können. Ins Cockpit des amerikanischen Herausforderers passen zwei Piloten, dafür gibt es wohl aber weniger Hightech - weder Tracking des Gegners per Kamera noch Schießen per Lächeln scheint möglich zu sein. Aber der Roboter ist schwerer, größer, bewegt sich wie eine Raupe vorwärts, hat links einen Pistolenarm mit Farbpatronen und eine Hand mit Kralle. Auf bedrohliche Weise wirkt er wie eine Kreuzung aus Panzer und Loch-Ness-Monster. Vielleicht würde der Megabot Kuratas einfach überrollen. Oder die womöglich höhere Finesse des Roboters Kuratas reicht aus?

"Es muss", hat Kogoro Kurata trotzig gesagt. Wie er das wissen soll? Gar nicht. Der Schöpfer von Kuratas ist der Sohn eines Schmieds, er wuchs bei einem Vater auf, der Samuraischwerter und andere kunstvolle wie bedrohliche Stücke aus Metall machte. Bis heute hat der junge Mann kein Ingenieurstudium absolviert. "Ich hab’ mir alles von anderen abgeschaut, meinem Vater zum Beispiel. Erfahrung ist der beste Lehrer." Immerhin hat Kurata mittlerweile einiges an Erfahrung. Im Jahr 2012 erfüllte er sich seinen Traum, als sein Kampfroboterprototyp KR01 selbständig stehen, seine Arme heben und zuschlagen konnte. Zwar war KR01 übermenschliche Größe beeindruckend. "Aber der nächste Schritt wäre doch, in das Ding einsteigen zu können." Aus einem Cockpit zu steuern. Das wurde zum großen Projekt von Kogoro Kurata. Vorlage dazu waren selbstverständlich die bekannten Science-Fiction-Anime, wie "Gundam", "Votoms" oder "Transformers". "Kuratas ist aber mehr wie AT Votoms, nicht so sehr wie MS Gundam", meint sein Schöpfer. "Der entscheidende Unterschied ist, dass AT Votoms keinen ausgebildeten Piloten braucht. Das ist ein Roboter, den jeder steuern kann."

Eine Traumwelt wird in die Realität gehievt#

Und damit erfüllt er, wie auch seine Widersacher aus den USA, einen Traum von etlichen Anime-Liebhabern von Storys um Cyborgs, Mutanten und Robotern: Die Traumwelt wird ins Reale gehievt. Dass dies gerade in Japan zuerst geschah, ist nicht gerade verwunderlich. Neben Deutschland, das stark auf dem Gebiet der Industrierobotik ist, führen Japan und die USA das Feld im Bau intelligenter Maschinen an.

Japan ist besonders gut darin, Humanoide zu bauen. In Krankenhäusern in Fukushima wird etwa derzeit Terapio getestet, ein per Trackingfunktion automatisch rollender Wagen, der Ärzte auf der Visite begleitet. In Osaka baut der Ingenieur Hiroshi Ishiguro an einem Roboter, den er gar Geminoid nennt, abgeleitet von Geminus, lateinisch für Zwilling. Der erste Prototyp war ein Abbild seines Schöpfers. Ishiguro will so auch testen, wie ähnlich eine Kreatur dem Menschen sein muss, damit Menschen sie nicht unheimlich finden.

Dass Roboter grundsätzlich nicht gruselig sein müssen, das versteht man in Japan aber längst. In Tokios eng bevölkertem Stadtteil Shinjuku gibt es etwa ein "Robot Restaurant", in dem abendlich eine Robotershow gemacht wird, deren Darstellerinnen eher wie menschliche Hostessen daherkommen. Die Faszination, und der oft spielerische Umgang mit Robotern, ist nicht nur ein Forschungs-, Technik-, oder teures Vergnügungsphänomen, auch nicht erst seit kurzem. Roboter mit menschlichen Eigenschaften haben einen frühen Ursprung in Japan. Er beginnt wahrscheinlich mit den "karakuri ningyou", mechanische Puppen aus dem späten japanischen Mittelalter vor dreieinhalb Jahrhunderten. Ein paar hundert Jahre später lassen sich die Weiterentwicklungen solcher Maschinen also von innen steuern, sodass man gegeneinander antreten kann.

Womöglich werden Roboterkämpfe bald ein TV-Spektakel, ähnlich wie Nascar, Wrestling oder einst Monstertrucks. Und doch wären solche Schlachten ganz anders als diese älteren Unterhaltungsmodelle: Sie stammen von herkömmlichen Autos und echten Kämpfen ab, von Dingen also, die es vorher schon im echten Leben gab. Die kämpfenden Roboter aber verorten ihren Ursprung eher in der virtuellen Sphäre und haben es nun in die physische Realität geschafft.

Es handelt sich also nicht um eine Spielzeug-Werdung von realen Dingen, sondern um die Real-Werdung der wildesten Vorstellungswelten. Und doch noch nicht so ganz: Der Kampf zwischen Kuratas und Megabot wurde nicht live übertragen. Wohl aus Angst vor der eigenen Courage, für den Fall, dass einer der beiden am Ende doch ganz schwächlich aussieht. Nicht so wie der Gundam-Gigant vorm Shoppingcenter in Tokio, der seine Stärke nie unter Beweis stellen muss.

Wiener Zeitung, 26. Juni 2018


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