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Der Todesstoß für freie Software #

Microsoft meldet sich - dank Teams - furios zurück, allen Bedenken von Datenschützern zum Trotz, Apple kauft munter Unternehmen auf, und die Cloud ist Triebfeder für Google und Amazon.#


Von der Wiener Zeitung (9. März 2021) freundlicherweise zur Verfügung gestellt

Von

Gregor Kucera


Der Alltag im Homeoffice: Videokonferenz und immer erreichbar.
Der Alltag im Homeoffice: Videokonferenz und immer erreichbar.
Foto: https://pixabay.com, unter PD

In der Pandemie und im Homeoffice verwendet man Microsoft Teams - es ist ja schon da. Man zahlt es ja ohnehin schon. Also wird es eingesetzt. Auch wenn es Alternativen gäbe. Unternehmen, die sich in der Vergangenheit wenig mit dem Arbeiten von zu Hause aus beschäftigt haben, rollen ein neues Microsoft-Service nach dem anderen aus. Doch nicht nur in Unternehmen feiert der US-Konzern neue Höhenflüge, auch im Bildungsbereich kommen nur sehr wenige Schulen an diesem Tool vorbei. Dies wirft allerdings einige Fragen und Probleme auf.

Der große Erfolg von Microsoft Teams beruht auf mehreren Säulen - eine entscheidende ist aber eine sehr einfache: Bequemlichkeit. Da Office 365 ohnehin schon auf den Windows-Rechnern in den Unternehmen läuft, haben viele Firmen nach und nach auch Teams ausgerollt. Ja, es funktioniert - zumindest meistens und das mit geringem Aufwand. Das nächste Produkt steht auch schon parat, vermutlich gegen weiter monatliche Gebühren: Microsoft Viva. Eine sogenannte Employee Experience Plattform (EXP), die Kommunikation, Fachwissen, Weiterbildung, Ressourcen und Insights vereint, wie Microsoft meint.

Datenschutz und Schule#

Der Einsatz von Teams in Schulen wiederum, wird seit Monaten in Deutschland diskutiert. Nicht nur, dass Microsoft schon sehr früh neue Kunden adressieren kann, auch kann ein Linux-Laptop mit dem freien Office-Konkurrenten OpenOffice schlichtweg nicht im Distance Learning verwendet werden. Zudem wird kritisiert, dass der Einsatz von Microsoft 365 und Office 365 an Schulen nicht mit der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) vereinbar ist. Diverse Juristen und Datenschutzbeauftragte kommen immer wieder zu diesem Ergebnis, denn aus ihrer Sicht ist es nicht zulässig, dass personenbezogene Daten von Schülerinnen (etwa Name und Geburtsdatum) und deren Nutzungsdaten bei Microsoft gespeichert werden. Selbst wenn die Server in Europa stehen, könnten US-amerikanische Behörden zuschlagen. Der US-Auslandsgeheimdienst NSA darf auch ohne richterlichen Beschluss auf Daten zugreifen, die auf den Servern von US-amerikanischen Unternehmen liegen - einer der Gründe, warum der Europäische Gerichtshof das Abkommen Privacy Shield zum Datenaustausch zwischen EU und USA kippte.

Probleme hat Microsoft aktuell allerdings wegen einer vor wenigen Tagen bekannt gewordenen Sicherheitslücke, durch die weltweit hunderttausende E-Mail-Server von Unternehmen, Behörden und Bildungseinrichtungen Opfer von Hacker-Attacken geworden sind. Die US-Regierung forderte Netzwerkadministratoren zu weiteren Schutzmaßnahmen auf, da es sich um eine sehr bedrohliche, aktive Bedrohung handle, die sich noch weiterentwickelt. Auch in Österreich sind zahlreiche Schäden gemeldet worden.

Freie Software wie etwa Linux, OpenOffice, Jitsi oder auch Big Blue Button können mit der proprietären Konkurrenz nicht mithalten - was bei Sicherheitslücken gut ist, sonst aber ein Nachteil. Die Pandemie zeigt auf, wie schwach Europa in diesem Bereich ist. Schulen sind derzeit nicht in der Lage, eigene Systeme zu betreiben und zu warten. Was wiederum Amazon und Google und deren Cloud-Diensten Zulauf bringen dürfte. Eine EU-weite Gegenstrategie wäre notwendig.

Einigen frei verfügbaren Software-Lösungen droht Ungemach. So haben die beiden Klassiker OpenStreetMap (OMS) und VLC vermeldet, einer ungewissen Zukunft entgegenzugehen. Im Fall des frei verfügbaren Kartendienstes OMS, der auch als "Wikipedia der Karten" bezeichnet wird, geht es um den Einfluss von Großkonzernen. Facebook, Apple, Microsoft und andere steuern immer mehr Einträge bei und verändern so die Zukunft und die Ausrichtung der Software, meinen Kritiker. Der Multimedia-Player VLC wiederum fürchtet, wenn Softwarepatente in der EU eingeführt werden, um seine Existenz. Gerade die Frage nach Patenten auf Software bedeutet für offene Software eine große Gefahr.

Vielfach scheinen sich aber weder Anwender noch die Politik dieser Problematik in ihrer Gesamtheit bewusst. Die Pandemie sollte nicht den Todesstoß für freie Software bedeuten, sondern vielmehr vor Augen führen, wie wichtig dieser Bereich für die Gesellschaft ist. Und wie dringend man reagieren muss.

Wiener Zeitung, 9. März 2021


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