Wir brauchen Informatikerinnen #
Wir können es uns nicht mehr leisten, das weibliche Potenzial nicht auszuschöpfen. #
Von der Wiener Zeitung (12. Oktober 2022) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Von
Julia Katovsky
Was sehen wir, wenn es um IT-Security, Hackerangriffe oder Datenlücken geht? Männer, die auf Codes starren - so zumindest könnte man die gängige Darstellung des Berufsbildes einer IT-Fachkraft zusammenfassen. Nicht umsonst heißt eine der besten popkulturellen Darstellungen von IT-Sicherheitsspezialisten nicht "Miss", sondern "Mr. Robot" - eine mehrfach mit Emmys ausgezeichnete TV-Serie mit dem Oscar-prämierten Rami Malek als IT-Genie im Hoodie. Immerhin ist darin Darlene Alderson, die Schwester der Hauptfigur Elliot, eine ebenso begabte Hackerin.
In Österreich nimmt jedenfalls der Frauenanteilanteil ab, je technischer Studien- oder Jobinhalte werden. Ebenso wenig melden Frauen in Österreich ein Technikpatent an (nur jedes 14.). Nur rund 12 Prozent des Forschungspersonals im wissenschaftlichen Bereich "Machine Learning" sind weiblich, und der Anteil heimischer Informatik-Absolventinnen liegt unter dem EU-Schnitt, bei 15 Prozent. Das kann sich Österreich aus mehreren Gründen nicht leisten. Der systematische Nachteil für Frauen ist etwa auf dem Arbeitsmarkt ein Problem für uns alle. Österreichs Betrieben mangelt es derart an sogenannten Fachkräften, dass dies allein im IT-Bereich zu einem jährlichen Wertschöpfungsverlust von mindestens 3,8 Milliarden Euro führt, weil Digitalisierungswissen und zumindest 24.000 IT-Fachkräfte fehlen.
Es fehlen Erwerbstätige und Ausbildungsmöglichkeiten #
Den gesuchten Leuten einfach mehr zu zahlen, löst die strukturelle Seite des Problems nicht. Denn einerseits fehlt es an Erwerbstätigen, weil Menschen älter werden und weniger Junge nachkommen, andererseits mangelt es an Ausbildungsmöglichkeiten. Die Technischen Universitäten von Wien und Graz bilden mehrheitlich den IT-Kompetenzpool aus. In den westlichen Bundesländern ist der Qualifikationsoutput eher dünn. Migration, wie es Wirtschaftsminister Martin Kocher propagiert, wird das Problem nicht lindern. Nur wenige tausend Arbeitskräfte kommen jährlich mit der eben reformierten Rot-Weiß-Rot-Karte nach Österreich. Im vorigen Jahr waren es lediglich 3.881 positive Gutachten.
Warum nicht das Potenzial derer heben, die bereits hier wohnen? Minister Kocher spricht gern vom wenig ausgeschöpften Erwerbspotenzial von Österreichs Frauen, da diese fast zur Hälfte in Teilzeit arbeiten. Er weiß es selbst, wie sehr dieser Umstand mit mangelnden Kinderbetreuungsplätzen in vielen heimischen Regionen einhergeht. Während laut Eurostat nur 3 Prozent der Däninnen angeben, dass sie wegen Betreuungspflichten nur Teilzeit arbeiten können, liegt der Wert in Österreich bei 40 Prozent. Noch ein skandinavisches Land macht es besser: In Finnland kommen Schüler ohne Hausaufgaben nach Hause. Das erspart es Müttern, die Aufgabenpolizei zu spielen.
Bieten die typischen IT-Fachkräftetätigkeiten in immer stärker digitalisierten Jobs mit ihrer räumlichen und zeitlichen Flexibilität nicht eine wunderbare Lösung? Das Einstiegsgehalt als Informatikerin, liebe Interessierte, liegt zwischen 1.700 und 3.000 Euro netto. Warum also gibt es so wenige?
In der Schule wird neun von zehn Mädchen nach wie vor häufig nahegelegt, lieber nichts Technisches zu studieren, wie eine Umfrage aus Oberösterreich zeigt. Diese häufig geschlechtsspezifische Förderung von Kindern und Jugendlichen ist ein wesentlicher Grund, warum jugendliche Mädchen ihre Computerkenntnisse deutlich stärker unterschätzen als gleichaltrige Buben. Ein Hauptgrund, warum sich Mädchen als junge Frauen den Einstieg in die IT nicht zutrauen.
Initiativen wie "SHE goes DIGITAL" bieten Mädchen und Frauen die Chance, durch praktische Erfahrungen bei spannenden Unternehmen die imaginären Hürden vor digitaler Arbeit zu überwinden. "Wenn Mädchen geringere Kompetenzen in diesen wichtigen digitalen Kulturtechniken ausbilden, sind auch ihre Gestaltungs- und Teilhabechancen in Alltag, Beruf und Gesellschaft geringer", sagt Doris Schmidauer, Mitgründerin der Initiative "Digitalisierung Chancengerecht". Durch dieses Training-on-the-job können Frauen Vorurteile abbauen und digitales Arbeiten neu entdecken. IT-Studiengänge sind von Männern für Männer konzipiert
Laut Martina Gaisch, der wissenschaftlichen Leiterin des Gender und Diversity Managements an der FH Oberösterreich, macht der geringe Frauenanteil von 19 Prozent in Österreich deutlich, "dass sich Frauen von den aktuellen Bildungsangeboten in der Informatik kaum angesprochen fühlen". Natürlich wollen Frauen lieber in Bereichen studieren und arbeiten, in denen sie nicht die Einzigen ihres Geschlechts sind. Befragen Sie männliche Synchronschwimmer zu diesem Thema.
Nun, wie ändert man das? "Mit einer anderen Ansprache, einer anderen Didaktik einem Sichtbarmachen von Frauen in der IT", meint Gaisch. Dann entstauben wir doch gleich gängige Stereotypen mit etwas Realität. So berichtet etwa Stephanie Jakoubi, Projektmanagerin bei SBA Research, dass man bei den "Social Engineering" oder auch "Hack the human"-Wettbewerben großer Security-Konferenzen bei den Teilnehmenden durchaus eine verhältnismäßig hohe Anzahl von Frauen vorfindet.