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Eine CO2-Steuer für den Verkehr#

Macht der Elektroantrieb den Pkw-Verkehr umweltfreundlicher?#


Mit freundlicher Genehmigung der Wiener Zeitung, Samstag, 16. Dezember 2017

Von

Gerd Sammer


Tanken an der E-Tankstelle
Der Autor hinterfragt, inwieweit die E-Mobilität dem Gesamtziel einer umweltverträglichen Verkehrspolitik dient.
Foto: © APAweb, dpa-Zentralbild/Hendrik Schmidt

Für die österreichische Bundesregierung stellt Elektromobilität eine Schlüsselmaßnahme zur Verringerung der Klima- und Umweltbelastungen durch den Verkehr dar. Insbesondere stehen die Dekarbonisierung der Mobilität aufgrund des Klimavertrags von Paris sowie die Reduktion der Stickoxidemissionen wegen unzulässiger Überschreitung der Grenzwerte im Fokus.

Mit rund 28 Prozent hat der Verkehr einen wesentlichen Anteil an den CO2-Emissionen in Österreich. Seit 1990 ist eine Zunahme von 60 Prozent zu verzeichnen. Man hat versucht, die CO2-Emissionen durch effizientere Technik bei den Verbrennungsmotoren zu vermindern. Ein Weg in diese Richtung könnte unter anderem der Einsatz von elektrisch betriebenen Kfz in Verbindung mit moderner Batterietechnik, Brennstoffzellen oder Wasserstoffantrieb sein. Diese Entwicklung wird von der öffentlichen Hand gefördert und ist in der öffentlichen Diskussion positiv belegt.

Es ist jedoch zu hinterfragen, inwieweit die E-Mobilität dem Gesamtziel einer umweltverträglichen Verkehrspolitik dient und was die Nebenwirkungen sind. Eine Gruppe emeritierter Verkehrsprofessoren Deutschlands und Österreichs, zu der auch der Autor dieses Gastkommentars zählt, hat sich mit dieser Frage beschäftigt. Sie fordern, die technischen Möglichkeiten der Elektromobilität in großer Verantwortung für Menschen und Umwelt zu nutzen, die Wirkungen aber auch realistisch einzuschätzen. In der Diskussion über Elektromobilität wird vor allem von den Entscheidungsträgern und der Autoindustrie Hoffnung für die Lösung der Umweltprobleme geweckt, die aus sachlichen Gründen kaum einlösbar sind und einschneidende verkehrspolitische Rahmenbedingungen benötigen, um den erwünschten Erfolg zu haben.

Verfälschte Berechnung bei E- und Hybrid-Antrieben#

Die Größe und das Gewicht der Autos spielen eine große Rolle für Energieverbrauch und Abgasmenge. Die Vergangenheit zeigt, dass der technische Fortschritt effizienterer Fahrzeugantriebe teilweise durch eine stärkere Nutzung sowie durch Kauf größerer Fahrzeuge mit größerer Motorleistung bei etwa gleichbleibenden Betriebskosten kompensiert wird. Für Elektrofahrzeuge wird dieser sogenannte Rebound-Effekt bisher nicht berücksichtigt. Die Strategien der Autofirmen zielen nach dem Vorbild des Model S von Tesla darauf ab, mit großen Wagen in den Markt für E-Fahrzeuge einzusteigen und diese dann als "ökologisch" zu kategorisieren. Vorschub für diese Strategie leistet die Gesetzgebung, die verlangt, vorgegebene Flottendurchschnittswerte für Verbrauch und CO2-Ausstoß einzuhalten, aber die Emissionen aus E-Antrieben mit null und aus Hybrid-Antrieben in verfälschender Weise herunterrechnet.

E-Fahrzeuge können aufgrund der Motorkennlinie bei jeder Drehzahl stark beschleunigen. Das wird in einschlägigen Publikationen als Vorteil gewertet ("toller Fahrspaß" etc.). Diese hohe Beschleunigung kostet aber mehr Energie, was kaum erwähnt wird. Und sie kann im urbanen Umfeld sogar sehr gefährlich sein, da diese Autos sich schnell und geräuschlos Fußgängern und Radfahrern nähern. Oft bleibt nicht ausreichend Zeit für Reaktionen zur Vermeidung von Unfällen. Es wird auch nicht berücksichtigt, dass die hohe Beschleunigung zu einem höheren Verschleiß der Reifen mit erhöhten Feinstaubemissionen führt. Eine technische Begrenzung des Beschleunigungsvermögens von Elektrofahrzeugen ist deshalb dringend erforderlich.

Es wird häufig betont, dass E-Autos an Ihrem Einsatzort, zum Beispiel in Innenstädten, keine Emissionen verursachen, also "emissionsfrei" seien. Der Tatsache, dass der Strom an einem entfernten Ort produziert wird, wird insofern Rechnung getragen, als von "lokal emissionsfreien" Fahrzeugen gesprochen wird. Diese Bezeichnung ist unzutreffend, da zum Beispiel Emissionen, wie der Feinstaub, auch beim Betrieb von E-Fahrzeugen lokal entstehen. Seriöse Untersuchungen zeigen, dass etwa 85 Prozent des emittierten Feinstaubs der Größe PM10 in Städten nicht direkt aus dem Motor kommen.

Der Verbrauch elektrischer Energie für Verkehr sei irrelevant, wie der Begriff "Zero-Energy" suggeriert. Dies wird auch in den offiziellen Verbrauchswerten übernommen, sodass es sich für Autohersteller lohnt, große fossil angetriebene Autos durch große E-Autos zu ersetzen, um den mittleren Flottenverbrauch ihrer Produktpalette zu senken. Besonders negativ wirkt sich die Regelung bei den Plug-in-Hybrid-Fahrzeugen aus, weil der angegebene Treibstoffverbrauch durch Überschätzung der elektrisch gefahrenen Strecken, die ebenfalls mit "Zero" einbezogen werden, unrealistisch ist. Dringend erforderlich ist die Einführung einer genormten Menge für die CO2-Gesamtemissionen für E-Autos.

Neben Speichereinrichtungen ist aufgrund der räumlich vom Verbrauchsort entfernten Produktionsorte in Sachen Ökoenergie ein umfassender Netzausbau notwendig, um die Versorgung zu sichern. Viele Ortschaften sind mit zu niedrigen Anschlusswerten ausgestattet. Es fehlen integrierte Konzepte für die Erzeugung, die großräumige Verteilung und die Speicherung von Ökoenergie. Die Erzeugung der Gesamtmenge an Energie für E-Fahrzeuge ist nicht unproblematisch, wenn der bisher verbrauchte fossile Treibstoff bis 2050 vollständig durch Elektroenergie substituiert werden soll. Hier sind große Anstrengungen erforderlich, die wegen langer Vorlaufzeiten sofort beginnen müssten.

Die gegenwärtige Diskussion um E-Mobilität wird vorwiegend von Betriebswirten und Autotechnikern geführt, kaum von Verkehrsplanern. Letztere beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit den Mustern im tages-, wochen- und jahreszeitlichen Ablauf der Verkehrsnachfrage und ihren räumlichen und zeitlichen Spitzen. Gäbe es diese Spitzen nicht, kämen wir mit viel weniger Verkehrsinfrastruktur aus. Die Bewältigung dieser Spitzen stellt ein komplexes Problem dar, wozu tragfähige Konzepte mit umfassenden Betriebs- und Entwicklungsstrategien fehlen.

Eindrucksvoll wird immer wieder dargelegt, die Batterien der E-Autos seien in einem intelligent gesteuerten Elektronetz ("smart grid") selbst als Speicher nutzbar. Daher seien große Fahrzeuge mit großen Batterien eher die Lösung als das Problem. Hier wird übersehen, dass der zeitliche Verlauf des Energiebedarfs für Kraftfahrzeuge dies mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erlaubt: Morgens soll das Elektroauto vollgeladen sein, daher kann es nachts nicht Energie für Warmwasser und im Winter für Heizung abgeben. Wenn morgens nicht die volle Reichweite zur Verfügung steht, kann das gesamte Tagesprogramm der Mobilität nicht umgesetzt werden.

250.000 weitere E-Autos in Österreich in drei Jahren#

Angesichts der Vielzahl an ungelösten Fragen sind erhebliche Anstrengungen national und international notwendig, wenn die Zukunft des E-Antriebes im Sinne einer nachhaltigen Verkehrspolitik gesichert werden soll. Der Umsetzungsplan für E-Mobilität in Österreich sieht keine quantitativen Ziele für den Bestand an E-Autos vor. Wenn man die festgeschriebenen Ziele dreier Bundesländer (Niederösterreich, Steiermark, Vorarlberg) auf Österreich umlegt, so müssten 2020 rund 3,7 Prozent des Pkw-Bestandes einen E-Antrieb aufweisen. Das wären für Österreich etwa 270.000 E-Pkw. Für Ende 2017 ist ein Bestand von nur 14.000 zu erwarten. In den folgenden drei Jahren müssten also je rund 80.000 E-Pkw hinzukommen. Das ist, auch die derzeitigen Anreizmaßnahmen eingerechnet, ohne sogenannte Push-and-Pull-Maßnahmen unerreichbar.

Es ist unbedingt notwendig, dass der Verkehr durch eine spürbare Abgabe für CO2belegt wird, die zum Umdenken führt. Davon sind wir aber weit entfernt, weil die verantwortlichen Politiker davor zurückschrecken. Nicht zu handeln ist aber auch eine verkehrspolitische Entscheidung, nämlich weitermachen wie bisher, zum Beispiel ohne Erreichung der Klimaziele.

Gerd Sammer ist emeritierter Professor am Institut für Verkehrswesen der Wiener Boku.

Wiener Zeitung, Samstag, 16. Dezember 2017