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„Dort, wo Bio drauf steht, ist auch Bio drinnen“#

Werner Lampert, ein Vordenker der Bio-Bewegung und ihrer Vermarktung, plädiert dafür, dass Lebensmittel aus dem Nahbereich stammen sollen und dass Fleischprodukte in artgerechter Tierhaltung hergestellt werden müssen.#


Von der Wiener Zeitung (Samstag, 3. Jänner 2009) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

von

Elisabeth Corazza


Wiener Zeitung: Herr Lampert, gehen Sie mit der Marke „Zurück zum Ursprung“ einen neuen Weg? Ist Bio für Sie zu wenig?

Werner Lampert

Werner Lampert: Nein, ich wollte eigentlich schon seit Jahrzehnten ein Heumilchprojekt machen. Das ist mir bei „Ja! Natürlich“ nicht geglückt. Meine erste Priorität war: Was ist eigentlich die beste Milch, die es in Verbindung mit Regionalität gibt? Meine Heumilchbauern verzichten auf Düngemittel, Pflanzenschutzmittel und auf Silage (Verfütterung vergorenen Grases, Anm.). Und kein Bauer darf Soja füttern. Das ist bei Bio erlaubt und bei uns verboten. Der nächste Unterschied ist, dass alle Bauern Weidehaltung machen müssen. Beim Bio-Begriff „Auslauf“ muss das Tier ja nicht auf die Wiese kommen. Das heißt, es genügt ein befestigter, betonierter Raum außerhalb des Stalls. Es gibt Untersuchungen, dass diese Kombination Weidehaltung und Heufütterung eine ganz besondere Milch ergibt. Ich denke, dass das die beste Milch ist, die es gibt. Das Futter, das meine Bauern zukaufen, das Kraftfutter, das kommt alles aus Österreich. Das ist ein geschlossenes, regionales Projekt. Heumilch ist vorher nie in Österreich als Frischmilch verkauft worden.

Müssen wir in Sachen Lebensmittel eine Kehrtwende machen, ganz nach Ihrem Motto: Zurück zum Ursprung?

Wir werden nicht gefragt, ob wir eine Kehrtwende machen wollen oder nicht. Sie wird uns aufgezwungen werden. Wenn man sich die aktuellen Problematiken ansieht, wird es die Aufgabe der sehr nahen Zukunft sein, dass Lebensmittel wirklich aus dem unmittelbaren Nahbereich kommen. Für mich ist es ausgeschlossen, dass Mais für die Tiere aus Argentinien und Soja aus Brasilien kommt. Wenn es um Regionalität geht, bedenken wir wirklich alles. Etwas, was uns die Zukunft sowieso auferlegen wird, haben wir vorweggenommen. Ein Bio-Hendl wird lediglich fünf bis acht Wochen alt. Wie lange darf ein Hühnchen leben, bevor es auf Ihrem Teller landet? Die Hühnergeschichte beginnt ja noch weiter vorn. Im Grunde gibt es zwei Firmen weltweit, die ein Monopol auf die Hühner haben. Das heißt, wir haben es nur noch mit Hybrid-Hühnern zu tun, deren Funktion darin besteht, dass sie sehr schnell reifen und dass sie eine optimale Nahrungsaufnahme und -verwertung haben. Bei der Kückenproduktion werden die männlichen Kücken ganz jung gehäckselt und wahrscheinlich wieder zu Tierfutter verwertet. In meinem Buch habe ich die alten Hühnersorten wie die Sulmtaler und die Altsteirischen als Beispiel hergenommen. Die würde ich zumindest neun Monate leben lassen, bevor ich eine Hühnersuppe koche. Aus den Hybridhühnern kann man ja gar keine Suppe mehr machen. Dafür braucht man Fett. Und sie sollte drei Stunden gekocht werden. Wenn die Konsumenten Fett sehen, werden sie davonlaufen, und kein Bio-Huhn aus dem Supermarkt kann man drei Stunden lang kochen.

So ein langlebiges Huhn kostet doch mehr Geld?

Im gewerblichen Betrieb zahlt sich die Zucht von Sulmtalern nicht aus. Außer, der Bauer hat Kunden, die Wert darauf legen. Dann bekommt er auch den entsprechenden Preis. Wir dürfen nicht vergessen, ein Huhn darf heute nichts mehr kosten. Die Landwirtschaft hat natürlich die Aufgabe, in einem vernünftigen Preisverhältnis zu produzieren, dass die Bauern leben können, und dass das Fleisch in einer Qualität ist, wie die Konsumenten es möchten. Und so sind unsere alten Rassen kaputt gegangen. Ich denke, viele Bauern sind in ein Zwangssystem hineingekommen, in dem es sehr schwierig ist, zu überleben. Die Bauern gehören sicher nicht zu den Gewinnern, wenn man den Aufwand mit dem Einkommen vergleicht. Da kommt ein Stundenlohn heraus, der in keinem Kollektivvertrag verhandlungsfähig wäre.

Wer kann sich biologische Lebensmittel noch leisten?

Ich kann nur mein Beispiel hernehmen. Ich kaufe mir einmal in der Woche einen Laib Brot. Roggenbrot. Und von diesem Laib lebe ich die ganze Woche. Wenn ich das in ein Verhältnis setze, da denke ich, dass ich für Brot, obwohl es im Einkaufswert sehr teuer ist, viel weniger Geld ausgebe, als die meisten Menschen. Wenn man besondere Qualität kauft, braucht man keine „Pseudolebensmittel“. Ich brauche neben diesem Laib Brot die ganze Woche nichts anderes.

Leben Sie gesünder als andere?

Bei dieser Frage muss man sehr vorsichtig sein. Man muss als Person auch in einem sozialen Umfeld sein und Menschen haben, die einen lieben. Das gehört auch alles zur Gesundheit. Man kann Gesundheit nicht nur auf das Essen reduzieren. Das ist ein gefährliches Spiel. Aber es ist sicher wichtig, ein Essen zu sich zu nehmen, das in einer intakten Umwelt produziert wurde, bei dem man anständig und artgerecht mit den Tieren umgegangen ist. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass sich die Art und Weise, wie Lebensmittel produziert werden, auf unsren Esstischen bemerkbar macht. Wenn im Lebensmittel viel Destruktivität steckt, kommt das in unseren Körper. Wenn ein Lebensmittel mit Liebe produziert wurde, kommt die Liebe in unseren Körper. So einfach denke ich mir das.

Denken Sie, dass biologisch produzierte Lebensmittel in Zukunft leistbarer werden?

Nein, das glaube ich nicht. Wenn man mit Sorgfalt in der Landwirtschaft arbeitet, dann kommt einfach ein höherer Preis heraus.

Bio-Produkte sind bereits in großen Mengen erhältlich. Ist da noch eine Garantie auf Qualität zu erwarten?

Da muss man zwei Sachen unterscheiden. Zum einen denke ich, dort, wo Bio drauf steht, ist auch Bio drinnen. Ich glaube, durch die EU-Verordnungen und die Kontrollsysteme wird das gewährleistet. Da haben wir eine große Sicherheit. Zum zweiten denke ich, dass sich jeder Konsument selber die Frage nach der Qualität stellen kann. Ist die Qualität, die ich bekomme, das, was ich möchte? Oder möchte ich gerne etwas anderes? Bio ist auch zur Legitimation geworden für eine global handelnde Wirtschaft. Das halte ich für eine gefährliche Fehlentwicklung. Wie das Kücken, das von einem Monopolisten kommt. Da könnte man jedes einzelne Lebensmittel durchgehen. Bio ist zum Boom geworden, und wenn etwas boomt, zieht es sehr viele Leute an. Als ich in den 1960er-Jahren die ersten Bio-Bauern kennen gelernt habe, waren das lauter Leute mit einer inneren Einstellung. Und ich bin heute, vierzig Jahre später, immer noch überzeugt, man kann den biologischen Landbau nicht machen, ohne diese innere Einstellung. Da denke ich, wäre viel zu tun, um wieder zu dieser Überzeugung zu kommen.

Hat uns die EU in Sachen Bio weitergebracht?

Ja und nein. Durch die EU-Verordnungen sind Abläufe und Sicherheiten gekommen, die vorher nicht da waren. Und gleichzeitig ist das ein internationales Konzept geworden. Aber die Landwirtschaft funktioniert nur unter regionalen Bedingungen. Ein Bauer in Süd-England baut unter vollkommen anderen Bedingungen an als ein Bauer in den Kitzbüheler Grasbergen. Diese internationalen Verordnungen mussten natürlich jedem gerecht werden. Und da sind Sachen zustande gekommen, mit denen man keine Freude haben kann.

Ihre „Ursprungs-Bauern“ haben sich auch den Verordnungen verpflichtet?

a, die 2500 Bauern, mit denen ich zusammenarbeite, verpflichten sich einem Standard und werden von einer akkreditierten Kontrollstelle überprüft. Ich denke, dass wir zum Beispiel eine sehr gute Qualität beim Brot haben. In unserem Brot ist keine Hefe. Wir arbeiten nur mit Sauerteig. Ein Weißbrot ohne Hefe, das ist schon etwas Tolles. Wir bekommen von den Konsumenten übers Internet sehr positive Zuschriften. Beim Gemüse haben wir ein Qualitätsprogramm, wo wir die Schwermetalle und Nitrate sehr niedrig halten. Unsere Kühe werden auf der Weide gehalten, kommen auf die Hochalmen. Sie bekommen nur Heu und Gras zu fressen.

Gelingt es Ihnen, eine andere Bevölkerungsschicht anzusprechen, wenn Sie Ihre Ware beim Diskonter anbieten?

Eigentlich habe ich das eher umgekehrt gesehen. Ich denke, das Geheimnis des Diskonters ist, dass er mit anderen Spannenverhältnissen und anderen Aufwendungen arbeitet. Qualitätsprogramme kann man eigentlich nur noch beim Diskonter verwirklichen, sonst würden wir in ein Preisniveau kommen, wo die Leute nicht mehr kaufen. In unseren Produkten ist eine Qualität drinnen, die sonst kaum umsetzbar wäre.

Wie leben Sie persönlich?

Ich wohne im 13. Bezirk und hab’s in den Wald zu Fuß ein paar Minuten. Ich gehe mit meinem Hund im Wienerwald spazieren, der ja wirklich sehr schön ist. Ich fahre in der Früh in die Stadt und am Abend wieder nach Hause. Früher habe ich noch selber angebaut, das mache ich jetzt nicht mehr, würde es aber sehr gerne wieder tun. Aber da muss man Zeit und Muße haben, und da müsste man von dem, was man macht, auch leben. Aber ich bin sehr viel unterwegs und wenig im Büro. Draußen bei den Bauern, den Produzenten. Das macht mir ganz besondere Freude. Die Bauern sind in Wirklichkeit mit ihrer Beständigkeit und Verlässlichkeit das Rückgrat der Gesellschaft. Das ist nicht romantisierend gemeint. Ein Bauer weiß im November, was er im nächsten Jahr anbauen und was er ernten wird. Er lebt wirklich im Zeitfluss. Das schafft eine Tiefe und eine Qualität, die den Dingen wirklich Dauer verleiht. Und die auch die Gesellschaft zusammenhält. In meinem Leben habe ich sehr wenige Bauern kennen gelernt, die allein gelebt haben. Jeder Bauer weiß, dass er nur im sozialen Zusammenhang existieren kann. Er weiß, ohne seine Frau, seine Kinder, seine Eltern ist er gar nichts. Diese Verlässlichkeit und diese Loyalität beeindrucken mich immer wieder aufs Neue. Und das gilt für unsere Gesellschaft genauso. Wir können nur im sozialen Miteinander existieren.

Herr Lampert, was haben Sie heute gegessen?

Ein Brot mit Ziegenkäse drauf, und einen Tee habe ich getrunken, den ich jeden Tag trinke.

Werner Lampert, geboren 1946 in Feldkirch/Vorarlberg, ist als Buchautor und Glücksapostel hervorgetreten. Von 1994 bis 2003 hat er für Billa und Merkur die Bio-Marke „Ja! Natürlich“ unter die Leute gebracht. Mit seiner neuen Lebensmittelmarke „Zurück zum Ursprung“ macht Lampert nun einen Schritt weiter (oder zurück?) und setzt für Kunden der Diskont-Kette Hofer ganz auf Regionalität. Milch und Milchprodukte, Gemüse und Brot sind in den Hofer-Regalen bereits erhältlich – aber nur teilweise als biologisch ausgewiesen. Mit der Umstellung der Heumilchprodukte auf Bio in den nächsten Monaten will er auch noch diese Lücke schließen. Gelingt dem erfahrenen Marktstrategen der Spagat zwischen Diskontpreisen und hoher Lebensmittelqualität? 2008 erschien Lamperts Buch „100 Lebensmittel, die Sie glücklich machen“ im Ecowin Verlag, Salzburg.

Elisabeth Corazza, geboren 1966, ist Sozialarbeiterin und Autorin für den NÖWPD (NÖ Wirtschaftspressedienst) und die Wiener Zeitung; sie lebt in Pressbaum.

Einige Bio-Fakten#

In Österreich sind 11,7 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe Bio-Betriebe. Das sind rund 20.000 heimische Bauern, die sich die (Mehr-)Arbeit aufbürden, nach strengen biologischen Richtlinien zu produzieren. Die Zahl der Bio-Landwirtschaften ist seit 1997 mit leichten Schwankungen gleich geblieben. Den Grund dafür suchen Experten in den oft aufwendigen Maßnahmen, die Landwirte setzen müssen, um Bio-Kriterien zu entsprechen. Dennoch sind 372.026 Hektar, das sind 13,36 Prozent der österreichischen Landwirtschaftsfläche, biologisch organisiert.

Die Bio-Bauern erwirtschaften jährlich einen Umsatz von 860 Millionen Euro – sechs Prozent des Gesamt-Lebensmittelumsatzes Österreichs. 14.000 Bauern haben sich im größten österreichischen Bioverband, der BIO AUSTRIA, zusammengeschlossen. Die fünf Werte, denen sich die BIO AUSTRIA-Bauern verpflichten, sind: Ökologie, Wahrung der Würde der Tiere, Forschung und Innovation, faire Preise und bäuerliche Lebensmittelkultur. Die Vorteile für Umwelt, Tier und Mensch liegen auf der Hand: Biologisch bearbeitete Böden besitzen eine höhere Humusqualität und biologische Aktivität, dazu kommen geringerer Energieverbrauch und CO2-Ausstoß. Die biologische Vielfalt an Pflanzen und Tieren ist im Vergleich zu herkömmlichen Betrieben um ein Vielfaches größer. (Quelle: Statistik BIO AUSTRIA)

Dennoch ist beim Einkauf Vorsicht geboten. Eine Vielzahl an Bezeichnungen und Zertifikaten führt uns Konsumenten in die Irre. Zeichen für kontrollierte Ware aus biologischer Landwirtschaft dürfen nur zertifizierte Kontrollstellen vergeben. Diese führen auch regelmäßige Kontrollen in allen landwirtschaftlichen und weiterverarbeitenden Betrieben durch. Zusätzlich sind folgende Bezeichnungen üblich und durch die EU-Verordnung geschützt: „aus biologischer Landwirtschaft“, „aus biologischem Anbau oder Landbau“, aus „kontrolliert biologischem Anbau“. Statt „biologisch“ kann auch „ökologisch“ verwendet werden. Sonstige Bezeichnungen wie „naturnah“, „naturrein“, „vollwert“, „aus kontrolliertem Anbau“, „aus Freilandhaltung“ oder Ähnliches weisen nicht auf Bio-Produkte hin! (Quelle: Umweltbundesamt).

Wiener Zeitung, Samstag, 3. Jänner 2009


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