Seite - 30 - in Adalbert Stifter und Schloss Hagen
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Die Literaturwissenschaftlerin Gudrun Trausmuth machte aufgrund der Lektüre Stifters die persönliche
Erfahrung, „dass Literatur der Wirklichkeitserfahrung und –Erfassung dienen kann“. Diese Erkenntnis
Trausmuths ließe sich ua auf die Hinterfragung diverser Hagen-Bezogenheiten durch vormalige Schloss-
und Meierhof-Bewohner umlegen. Trausmuth stellte ferner richtig fest, dass die Stifter´sche Lektüre lehre
„schauen, ausdauernd, staunend und schaudernd die Dinge so lange umkreisend, mit Hilfe der Sprache
belagernd und umwerbend, bis sie sich erschließen. Stifters Habitus der deskriptiven Aufmerksamkeit
entschleunigt. Das Insistieren, das obsessive Verweilen bei einer Sache, kann den auf Geschwindigkeit
trainierten Geist beunruhigen und beruhigen zugleich.“ 106
Wiewohl es prinzipiell nicht möglich ist, ohne Hinweis von Seiten des Dichters, die Vorbilder für
den „Nachsommer“ eindeutig zu identifizieren, drängen sich doch bei genauem Lesen,
Hineinhören und Vergleichen immer wieder neue Erkenntnisse und Widersprüchlichkeiten
betreffend bereits geäußerter Mutmaßungen auf. Es mag als sehr wahrscheinlich angesehen
werden, dass Stifter ein dichterisches Konglomerat aus ihm begegneten, ihn ansprechenden,
berührenden und faszinierenden Fakten, zu einem eigenen Gesamtbild zusammenfügte.
So vertritt zB die Schriftstellerin Gertrud Fussenegger die Überzeugung, Stifter habe das Rosenhaus
aus sehr vielen verschiedenen Einzelerfahrungen zusammengezogen. Josef Nadlers ähnliche
Ansicht, zitiert bei Grieser, schlägt in dieselbe Kerbe: „Oft stammen nur die einzelnen Elemente aus
der Anschauung, und diese fügte er dann mit anderen, die ihm fremd waren, zu einer Einheit
zusammen, die sich in der Wirklichkeit nicht direkt nachweisen läßt.“107
Wie immer man sich - mehr oder eher weniger mit diesem, für viele neuen Aspekt,
auseinandersetzt - zu einer Beziehung Stifters zum damals Starhembergischen Schloss Hagen und
seinem Besitzer stellen mag, so ist es doch als eine der denkbaren Vorbild-Varianten entsprechend
zu betrachten. Jeder mag sich nach Einsicht und Abwägen der im Folgenden gebotenen
schriftlichen und mündlichen Überlieferungen seine eigene Meinung bilden, bzw sich der einen
oder anderen anschließen. Geht man von den durch den Schlossbesitzer und Zeitzeugen erbrachten
Hinweisen und den lokalen Gegebenheiten nach, arbeitet die genannten Argumente und Parallelen
aus, so erscheinen manche Punkte als doch sehr wahrscheinlich, und durchaus nicht
unrealistischer als bei anderen Vorbild-Varianten. Liest man die Schilderung des großen Besitzes
Risachs, kann man nicht umhin, an die Besitzungen Heinrichs von Starhemberg zu denken,
speziell an Schloss Hagen mit allein vierzig Grundstücken in seiner unmittelbaren Umgebung,
ungeachtet der entfernteren Waldungen, Güter, Schlösser. 108
In jedem Fall drängt sich dem Stifter-Freund und –Leser, welcher Schloss Hagen, sein Areal und
seine Besonderheiten aus Realität oder Überlieferungen kennt, beinahe zwingend die Überlegung
auf, dass es sich bei dem, nicht lange nach Stifters Eintreffen in Linz begonnenen und
herausgegebenen Roman „Der Nachsommer“ um diesen ehemaligen Edelsitz handeln könnte.
Im Buch - wahrscheinlich lediglich in dichterischer Freiheit - mit den Namen „Asperhof“,
„Aspermeierhof“ und „Rosenhof“/„Rosenhaus“ bedacht, 109
könnte Hagen - oder doch
wenigstens Teile desselben - somit der Besitz des kunstsinnigen Fürsten Heinrich von
Starhemberg, als Vorbild gedient haben. Grieser weist auf eine Auskunft der Marktgemeinde
Kremsmünster hin, wonach der Bauernhof „Aspergmeier“ heiße. In der Festschrift der
106 Trausmuth Gudrun, Dr. phil., geb. 1969 in Linz, Studium der Germanistik und Romanistik. „Adalbert Stifters
„Bergkristall“, Relecture einer Weihnachtserzählung. In: mut, Forum für Kultur, Politik und Geschichte, 46. Jg, Nr.
529, Dezember 2011; S.12 ff.
107
Grieser, Schauplätze Literatur, 88.
108
Bohdanowicz, Linzer Vororte, Bd 15, 282 f.
109
Vgl auch Großschopf, Stifter, 48/49; er wähnt den „Aspermeierhof“ bei Kremsmünster als Urbild. Grieser,
Schauplätze Literatur, 82.
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Adalbert Stifter und Schloss Hagen
- Titel
- Adalbert Stifter und Schloss Hagen
- Autoren
- Hanna Schäffer
- Herbert Schäffer
- Verlag
- Eigenverlag
- Ort
- Linz
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 97
- Schlagwörter
- Oberösterreich, Biedermeier
- Kategorien
- Biographien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Zum Geleit 1
- Kurzinformation zum Landgut/Schloss Hagen 7
- Adalbert Stifters Umzug nach Linz u. sein Kontakt zu Hagen 11
- Parallelen im Hagen zu Stifters "Nachsommer" 29
- Vergleich - identifizierbare Details zu den äußeren Gegebenheiten Hagens 36
- Vergleich - identifizierbare Details in Innenbereich des Schlosses Hagen 58
- Anregungen zum historischen Epos "Witiko" 76
- Ausklang 82
- Anhang: Wappenwand d. Johannes-Kapelle d. Schloss Hagen 85
- Abkürzungsverzeichnis 88
- Literaturliste 89
- Kurzer Blick auf die Autoren 91