Seite - 69 - in Der kaiserliche Rat Friedrich Tscherne 1862-1928 - Ein bedeutender Sohn der Stadt Linz
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Schokolade und Tee bezog er nur von den renommiertesten Firmen. Beim Tee bot er an, die
jeweilig gewählte Sorte in „elegante Cartons, Blechdosen oder Paquets“ zu füllen.328
1913 erbaute Tscherne in der Museumsstraße ein großes Magazin, das zur Aufnahme
verschiedener Waren, speziell der großen Zuckervorräte bestimmt war. Es existiert heute noch,
dient als Veranstaltungszentrum, bietet Komödie, Musical und Kabarett (bis vor kurzem als
„Chamäleon“, jetzt als „Theater in der Innenstadt“ bezeichnet) Raum. 329
Als er für die Jahre 1913/14 und 1915/16 bezüglich seines Zinsertragserkenntnisses für sein Haus
Rudolfstr. 8 einen Irrtum entdeckte, beeinspruchte er dies und ersuchte, ihm den zuviel bezahlten
Steuerbetrag für den fälschlich als Neubau bezeichneten Teil (Röstereigebäude) gutzuschreiben. 330
Am 28. Juli 1914 wurde - als Folge der Schüsse von Sarajewo am 28. Juni 1914 - der Krieg gegen
Serbien ausgerufen. Eine beim Linzer Bürgermeister einberufene Sitzung aller Parteivorstände
beschloss am selben Tag einen Maximaltarif für Lebensmittel, um größere Probleme wegen
Panikeinkäufen zu vermeiden. Zwei Tage nach Kriegsausbruch hatte die Regierung einen Aufruf
erlassen, mittels welchem das Horten von Waren und ungerechtfertigte Preiserhöhungen untersagt
und Geld- und Arreststrafen sowie der Verlust der Gewerbeberechtigung angedroht wurden. Der
Mobilisierungsbedarf der Armee brachte Verkehrsmittelengpässe, Schiffe wurden im Kriegsgebiet
benötigt, Postautobuslinien stillgelegt. Bereits am 3. Juli hatten die Bauern mit ihren Pferden, sowie
andere Pferdebesitzer zur Musterung erscheinen müssen, was auch den jungen Karl Tscherne
betraf. Bald darauf wurden auch die Kraftfahrzeugbesitzer mit ihren Autos einberufen. Der Mangel
an Münzen aus Edelmetall führte zu Engpässen betr Rückgabegeld bei Kleineinkäufen.
Abhebungen von Spareinlagebüchern wurden am 1. August auf 300 Kronen beschränkt. Für die
Beschaffung und Verteilung von Rohstoffen und lebenswichtigen Versorgungsgütern wurden
„Zentralen“ geschaffen, welche den Schleichhandel verhindern sollten. Es entstanden „Zentralen“
für alle erdenklichen Vorprodukte und Versorgungsgüter, Spiritus-, Zucker- Malzzentralen, usw.331
1915 wurden in der Stadt Lebensmittelkarten eingeführt, zunächst für Weizengrieß und –Mehl,
1916 auch für Fett, Reis, Milch, Zucker, Kaffee und Kartoffeln.332
Die ab Ende 1915 vom Magistrat verfügte Änderung der Marktordnung, die den
Lebensmittelhändlern verbot, bei bäuerlichen Marktgeherinnen einzukaufen, trat für diese
Kaufleute eine weitere Erschwernis ein. Der Handel erlitt große Schäden, in Stadt und Land
herrschten Not, Hunger und Aufruhr, Geschäfte wurden geplündert, 30 Kaufläden in Linz
gewaltsam aufgebrochen und beraubt. Das gesamte Handelsgeschehen war von der Niederlage im
Krieg schwer betroffen. Besonders Großhändler wie Friedrich Tscherne erlitten durch die
kriegsbedingte Isolation, den Abbruch ihrer Auslandsaktivitäten etc große Verluste. Die
Abtrennung Böhmens, das Stocken diverser Zulieferer – und Geschäftsverbindungen mit den
übrigen einstigen „Kronländern“ und die allgemein triste Lage wirkten sich sehr negativ auf
Geschäfts- und Finanzebene aus. Auch die Großeltern von Karl Tscherne´s Tochter Isolde, die
Besitzer des Optikergeschäftes Hauber in Innsbruck, waren von der Weltwirtschaftskrise und dem
Zusammenbruch der „großbürgerlichen Welt“ betroffen. 333
In der am 1. Dezember 1916 von der Stadt Linz und dem Großhandel gemeinsam gegründeten
„Leg“, der Lebensmitteleinkaufgesellschaft, die über Wunsch der OEZEG, der österreichischen
Zentraleinkaufsgesellschaft, Lebensmittel besorgte und in OÖ verteilte, besonders für die
Arbeiterbevölkerung, trat Friedrich Tscherne am 22. Juni 1917 als Geschäftsführer auf und erhielt
328Kaar, PI, PA.
329AStL, Tagespost, 28. März 1928. Folder Theater.
330 AStL, Neues Archiv, BzVA Zinsertragserkenntnisse GZ 002-1 Ru>Sw, Sch. 1603, Rudolfstr., Mappe 55/208.
331Pisecky, Handel/Kaufmannschaft, 187 ff.
332Pisecky, Handel/Kaufmannschaft, 190.
333Pisecky, Handel/Kaufmannschaft, 187 ff. Berman, PI 31. Mai 2011.
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Der kaiserliche Rat Friedrich Tscherne 1862-1928
Ein bedeutender Sohn der Stadt Linz
- Titel
- Der kaiserliche Rat Friedrich Tscherne 1862-1928
- Untertitel
- Ein bedeutender Sohn der Stadt Linz
- Autor
- Hanna und Herbert Schäffer
- Verlag
- Eigenverlag
- Ort
- Linz
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.01 x 29.71 cm
- Seiten
- 170
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- Zum Geleit 4
- Herkunft 6
- Friedrich Georg Tscherne und Familie 22
- Berufliche Entwicklung und Erfolge 64
- Ehrenämter, Mitgliedschaften, Titel, Vereinsarbeit 73
- Der Heimatforscher Friedrich Tscherne 79
- Das Wohnhaus Hauptplatz 15 (30) 81
- Die Sommervilla Hagen 91
- Zusammenfassung 114
- Literaturnachweis 116
- Abkürzungsverzeichnis 119
- Anhang (Stammtafel, Bildmaterial, Firmenbuch, Preisliste) 120