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Drei Meister - Balzac - Dickens - Dostojewski
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Realismus und Phantastik „Was kann für mich phantastischer sein als die Wirklichkeit?“ Dostojewski Wahrheit, die unmittelbare Wirklichkeit seines begrenzten Seins sucht der Mensch bei Dostojewski: Wahrheit, die unmittelbare Wesenheit des Alls der Künstler Dostojewski selbst. Er ist Realist und ist es so konsequent – immer geht er ja an die äußerste Grenze, wo die Formen ihrem Widerspiel: dem Gegensatz so geheimnisvoll ähnlich werden –, daß diese Wirklichkeit jeden an das Mittelmaß gewöhnten täglichen Blick phantastisch anmutet. „Ich liebe den Realismus bis dorthin, wo er an das Phantastische reicht,“ sagt er selbst, „denn was kann für mich phantastischer und unerwarteter, ja unwahrscheinlicher sein als die Wirklichkeit?“ Die Wahrheit – dies entdeckt man bei keinem Künstler zwingender als bei Dostojewski – steht nicht hinter, sondern gleichsam gegen die Wahrscheinlichkeit. Sie ist über die Sehschärfe des gemeinen, des psychologisch unbewehrten Blickes hinaus: wie im Wassertropfen das unbewaffnete Auge noch klare spiegelnde Einheit, das Mikroskop aber wimmelnde Vielfalt, myriadenhaftes Chaos von Infusorien schaut, eine Welt, wo jene nur eine Einzelform bemerkten, so erkennt der Künstler mit dem höheren Realismus Wahrheiten, die widersinnig scheinen gegen die offenbaren. Diese höhere oder diese tiefere Wahrheit zu erkennen, die gleichsam tief unter der Haut der Dinge liegt und schon nah dem Herzpunkt aller Existenz, war Dostojewskis Leidenschaft. Er will gleichzeitig den Menschen als Einheit und Vielfalt, im Freiblick und im geschärften gleich wahr erkennen, und darum ist sein visionärer und wissender Realismus, der die Kraft eines Mikroskops und die Leuchtstärke des Hellsehers vereinigt, wie durch eine Mauer geschieden von dem, was die Franzosen als erste Wirklichkeitskunst und Naturalismus benannten. Denn obzwar Dostojewski in seinen Analysen exakter ist und weiter geht als irgendeiner von denen, die sich „konsequente Naturalisten“ nannten (womit sie meinten, daß sie bis an das Ende gingen, während Dostojewski jedes Ende noch überschreitet), ist seine Psychologie gleichsam aus einer anderen Sphäre des schöpferischen Geistes. Der exakte Naturalismus von anno Zola kommt geradeswegs aus der Wissenschaft her. Umgestülpte Experimentalpsychologie, ist er irgendwie an Fleiß und Schweiß, an Studium und Erfahrung gebunden: Flaubert destilliert in der 90
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Drei Meister Balzac - Dickens - Dostojewski
Titel
Drei Meister
Untertitel
Balzac - Dickens - Dostojewski
Autor
Stefan Zweig
Datum
1920
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
134
Schlagwörter
Literatur, Schriftsteller
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Romain Rolland als Dank für seine unerschütterliche Freundschaft in lichten und dunklen Jahren 5
  2. Balzac 7
  3. Dickens 29
  4. Dostojewski 50
  5. Einklang 51
  6. Das Antlitz 54
  7. Die Tragödie seines Lebens 56
  8. Sinn seines Schicksals 66
  9. Die Menschen Dostojewskis 77
  10. Realismus und Phantastik 90
  11. Architektur und Leidenschaft 103
  12. Der Überschreiter der Grenzen 113
  13. Die Gottesqual 121
  14. Vita Triumphatrix 131
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