Page - 3 - in Amerika
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Der Heizer
Als der sechzehnjährige Karl Roßmann, der von seinen armen Eltern nach
Amerika geschickt worden war, weil ihn ein Dienstmädchen verführt und ein
Kind von ihm bekommen hatte, in dem schon langsam gewordenen Schiff in
den Hafen von New York einfuhr, erblickte er die schon längst beobachtete
Statue der Freiheitsgöttin wie in einem plötzlich stärker gewordenen
Sonnenlicht. Ihr Arm mit dem Schwert ragte wie neuerdings empor, und um
ihre Gestalt wehten die freien Lüfte.
›So hoch!‹ sagte er sich und wurde, wie er so gar nicht an das Weggehen
dachte, von der immer mehr anschwellenden Menge der Gepäckträger, die an
ihm vorüberzogen, allmählich bis an das Bordgeländer geschoben.
Ein junger Mann, mit dem er während der Fahrt flüchtig bekannt geworden
war, sagte im Vorübergehen: »Ja, haben Sie denn noch keine Lust,
auszusteigen?« »Ich bin doch fertig«, sagte Karl, ihn anlachend, und hob aus
Übermut, und weil er ein starker Junge war, seinen Koffer auf die Achsel.
Aber wie er über seinen Bekannten hinsah, der ein wenig seinen Stock
schwenkend sich schon mit den andern entfernte, merkte er bestürzt, daß er
seinen eigenen Regenschirm unten im Schiff vergessen hatte. Er bat schnell
den Bekannten, der nicht sehr beglückt schien, um die Freundlichkeit, bei
seinem Koffer einen Augenblick zu warten, überblickte noch die Situation,
um sich bei der Rückkehr zurechtzufinden, und eilte davon. Unten fand er zu
seinem Bedauern einen Gang, der seinen Weg sehr verkürzt hätte, zum
erstenmal versperrt, was wahrscheinlich mit der Ausschiffung sämtlicher
Passagiere zusammenhing, und mußte Treppen, die einander immer wieder
folgten, durch fortwährend abbiegende Korridore, durch ein leeres Zimmer
mit einem verlassenen Schreibtisch mühselig suchen, bis er sich tatsächlich,
da er diesen Weg nur ein- oder zweimal und immer in größerer Gesellschaft
gegangen war, ganz und gar verirrt hatte. In seiner Ratlosigkeit und da er
keinen Menschen traf und nur immerfort über sich das Scharren der tausend
Menschenfüße hörte und von der Ferne, wie einen Hauch, das letzte Arbeiten
der schon eingestellten Maschinen merkte, fing er, ohne zu überlegen, an eine
beliebige kleine Tür zu schlagen an, bei der er in seinem Herumirren stockte.
»Es ist ja offen«, rief es von innen, und Karl öffnete mit ehrlichem
Aufatmen die Tür. »Warum schlagen Sie so verrückt auf die Tür?« fragte ein
riesiger Mann, kaum daß er nach Karl hinsah. Durch irgendeine Oberlichtluke
fiel ein trübes, oben im Schiff längst abgebrauchtes Licht in die klägliche
Kabine, in welcher ein Bett, ein Schrank, ein Sessel und der Mann knapp
nebeneinander, wie eingelagert, standen. »Ich habe mich verirrt«, sagte Karl,
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Amerika
- Title
- Amerika
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1927
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
- Categories
- Weiteres Belletristik