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wie sie in der österreichischen Moderne(-forschung) verhandelt werden, ver-
bunden und gegeneinandergestellt wurden, konnten nicht zuletzt Diskontinui-
täten der Überlieferung und ihre Folgen analysiert werden. Auf diese Weise
wählte ich also 15 Erinnerungsorte aus, die durchaus selektiv, konstruiert und an
der Gegenwart des Forschungsstandes orientiert sind.
Diese Erinnerungsorte der Wiener Moderne (II.) bilden den umfangreichsten
und genauesten Hauptteil des vorliegenden Biografiekonzepts, in dem unter-
schiedliche Zeitlogiken – Geschwindigkeiten und Genauigkeiten – gewählt
wurden, um Berthold Viertels Leben und autobiografische Praxis im Kontext
der zeithistorischen Entwicklungen zu analysieren. Sie erzählen zugleich Vier-
tels (Familien-)Geschichte von ca. 1860 bis 1917 und halten dabei in ihrer
Anordnung eine gewisse Chronologie ein. Innerhalb der Erinnerungsorte domi-
niert aber der thematische Fokus, die RĂĽck- und Vorschau bis zu aktuellen
Haltungen. So sollen alternative Lesarten offengehalten werden und Wider-
sprĂĽche, Fragen und Leerstellen sowohl in Viertels Darstellungen als auch in der
Forschungstradition aufgegriffen und aufgezeigt werden. Zum Beispiel wurde
immer wieder von zentralen Diskursen Viertels um Väter und Söhne, deutsche
Hochkultur etc. abgelenkt, um auch marginalisierte Zonen und Identitäten wie
Mütter und Töchter, multinationale Populärkulturen etc. einzubringen und Ka-
tegorien wie Geschlecht, soziale Schicht, ethnische Zugehörigkeit nochmals zu
hinterfragen.
Den Erinnerungsorten voran steht eine kĂĽrzere Teilskizze von Viertels Le-
ben ab dem 33. Lebensjahr durch Exil und Remigration (I.). Diese komprimierte
Teilbiografie beschreibt nicht nur seine zweite Lebenshälfte (ca. 1917–1953),
sondern fokussiert vor allem darauf, wie und unter welchen zeithistorischen
Umständen Viertel immer wieder auf seine Kindheit und Jugend im Wien um
1900 zurĂĽckblickteÂ
– seine vielfältige berufliche Praxis in Theater und Film wird
dabei nur skizzenhaft behandelt, da sie bereits Gegenstand anderer Studien
wurde. Nicht nur der Historiker James S. Amelang betonte, wie entscheidend
die Befassung mit Ort und Entstehungszusammenhang von Selbstzeugnissen
ist, um diese in Folge interpretieren zu können.101 In diesem I. Teil war also nach
dem Einfluss von Zäsuren der Zeitgeschichte (1918, 1934, 1938 etc.) und von
neuen Lebensumgebungen auf einen ZurĂĽckblickenden zu fragen und sichtbar
zu machen, wie sein Leben in Deutschland, in GroĂźbritannien, in den USA
seine Sicht auf Wien um 1900 veränderte. Besonders intensive Phasen autobio-
grafischer Arbeit fallen dabei in die Jahre nach 1936 – nach dem Tod von Karl
Kraus und um das »Ende Österreichs« – und nach 1948, als Viertel der Stadt
101 Amelang, James S., Transcultural Autobiography, or The Lives of Others, in : Ulbrich, Claudia u.a.
(Hg.), Selbstzeugnis und Person. Transkulturelle Perspektiven, Wien/Köln/Weimar 2012, 77–85.
Berthold Viertel
Eine Biografie der Wiener Moderne
- Title
- Berthold Viertel
- Subtitle
- Eine Biografie der Wiener Moderne
- Author
- Katharina Prager
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20832-7
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 368
- Category
- Biographien
Table of contents
- Ein chronologischer Ăśberblick 7
- Einleitend 19
- 1. BERTHOLD VIERTELS RĂśCKKEHR IN DIE Ă–STERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
- 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
- Moderne in Wien 99
- Monarchisches GefĂĽhl 118
- Galizien 129
- JĂĽdisches Wien 139
- Katholische Dienstmädchen 150
- Deutsche Kultur 161
- Luegers Wien 173
- MitschĂĽler Hitler 184
- Jugendliche Kulturanarchisten 196
- Familie Adler 209
- Studium 228
- Sexuelle Emancipation 245
- Karl Kraus 268
- Theater 291
- Erster Weltkrieg 310
- Nachsatz 333
- Archivalien 336
- Dank 342
- Literaturverzeichnis 344
- Bildnachweis 358
- Personenregister 359