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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  48  | Berthold  Viertels  Rückkehr  in  die  österreichische  Moderne Akteure der Szene, in die Berthold Viertel da eintrat, dokumentierte aktuelle Beziehungen, Ereignisse und Treffen, notierte Gedanken und Gefühle und re- flektierte work in progress. Thesen (zum Christentum oder zur Frauenemanzipa- tion) und »Lesefrüchte« aus Büchern (von Schiller, Dostojewski oder Altenberg) wurden ebenso verzeichnet. Von modernen SchriftstellerInnen wie Franz Kafka, Albert Ehrenstein und Virginia Woolf gibt es ähnlich eklektische Aufzeichnun- gen, die der Selbstbeobachtung und -bildung dienten.2 Eine dezidierte Absichtserklärung stand zwar noch aus, aber dennoch ist dies der erste Text, der zu Viertels autobiografischem Projekt gezählt werden kann. Viele Themen und Geschichten, die hier angerissen wurden, tauchten ausge- formt in den späteren autobiografischen Konvoluten wieder auf. Unklar ist, ob es sich bei diesem Heft um das »Kindheitstagebuch« handelt, von dem Viertel öfter sprach. Wie in späteren Arbeits- und Notizbüchern zeigte sich Viertel hier als assoziativer, nicht unbedingt systematischer Denker. Die ersten Einträge sind noch in Kurrentschrift verfasst, doch nach einigen Seiten wechselte Viertel in die lateinische Schriftform. Höchstwahrscheinlich sollte diese Zwischenform aus Tage- und Notizbuch pragmatisch als Gedächtnisstütze und Materialsamm- lung dienen. Es ist dies das einzige autobiografische Fragment Viertels, das in Wien um 1900 entstand  – alle weiteren Selbst- und Zeitzeugnisse Berthold Viertels ent- standen bis 1948 außerhalb Österreichs. In dieser Zeit verortete Viertel sich selbst immer wieder neu : Historische Ereignisse und Entwicklungen veränder- ten seinen Blick auf die Wiener Kindheit und Jugend und kulturelle Mehrfach- zugehörigkeiten ließen ihn die Kontexte seines Aufwachsens im Wien um 1900 immer wieder aus neuen Perspektiven betrachten. Dieser Prozess des kontinu- ierlichen Rückblicks aus der Ferne begann 1914. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 verließ Berthold Viertel Wien als Leutnant der Reserve erstmals für längere Zeit. Nachdem er das Scheitern der Serbien-Offensive vor Ort erlebt hatte, lernte Viertel im Jän- ner 1915 Galizien, das Herkunftsland seiner Familie kennen. Die Brutalität des Krieges hatte Viertels aufgeklärten, kulturanarchistischen Haltungen zugesetzt und er entwickelte in Galizien  – auch unter Einfluss der Lektüre des jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber3  – exotisch-romantische, durchaus auch pejorative Vorstellungen vom »ostgalizischen Judentum«. Inmitten von Tod, 2 Stach, Reiner, Kafka. Die frühen Jahre, Frankfurt am Main 2014, 418–419 ; Laugwitz, Uwe, Albert Ehrenstein. Studien zu Leben, Werk und Wirkung eines deutsch-jüdischen Schriftstellers, Frank- furt 1987, 94 ; Lee, Virginia Woolf, 1997, 8. 3 Dawidowicz, Klaus S., Martin Bubers Weg zum Chassidismus, in : Stern, Frank und Eichinger, Bar- bara (Hg.), Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938. Akkulturation  – Antisemitismus  – Zio- nismus, Wien/Köln/Weimar 2009, 155–174.
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Title
Berthold Viertel
Subtitle
Eine Biografie der Wiener Moderne
Author
Katharina Prager
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Size
15.5 x 23.2 cm
Pages
368
Category
Biographien

Table of contents

  1. Ein chronologischer Ăśberblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RĂśCKKEHR IN DIE Ă–STERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches GefĂĽhl 118
    3. Galizien 129
    4. JĂĽdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. MitschĂĽler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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