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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  62  | Berthold  Viertels  Rückkehr  in  die  österreichische  Moderne skript zu arbeiten, das er in Wien seinem neuen Freund Hermann Broch gezeigt hatte  – die Lage hatte sich allerdings zu sehr verändert, um es abzuschließen.42 Im September 1933 entstand aber mit Amalia oder die Hölle der Keuschheit  – ein etwa 70-seitiges Typoskript, das die aktuelle Situation im nationalsozialistischen Deutschland als Ausgangspunkt nahm. Amalia beinhaltete keine autobiografi- schen Erlebnisse, sondern beschrieb autoritäre, patriarchalische Erziehungs- strukturen und unterdrückte Sexualität in bürgerlichen Familien in Deutschland als Wurzeln des Faschismus.43 Etwa um dieselbe Zeit arbeitete Karl Kraus in Wien an einer Analyse der Nationalsozialismus, die später als Dritte Walpurgis- nacht bekannt werden würde. Dass Viertel und Kraus sich 1933 in Wien wahr- scheinlich sogar mehrfach begegneten, austauschten und nach rund 25 Jahren Freundschaft zu ähnlichen Schlüssen kamen, kann angenommen werden, wenn auch unklar bleibt, wie konkret sie über ihr work in progress sprachen. Zudem begann Berthold Viertel an einem »Hitlerstück«44 zu arbeiten, das Hitlers Wer- degang und Wirkung zum Inhalt hatte. Rein Autobiografisches schrieb Viertel vorerst nicht, doch er versicherte Salka Viertel : »Der Wiener Vortrag bedeutet wirklich eine Konzentration meines Denkens, er hat etwas Fundamentales, legt den Grund zu weiterer Entwicklung.«45 Im September 1933 ließ Berthold Viertel sich  – nach einem »hingeschmisse- nen« Jahr zwischen Wien, Berlin und Paris und nach einem kurzen Aufenthalt in Kalifornien46  – in London nieder und arbeitete die folgenden drei Jahre als Regisseur für die Gaumont British.47 Seine Familie blieb in Los Angeles. In langen Briefen räsonierte das Ehepaar Viertel immer wieder, dass die Situation in Europa zu unsicher sei, um dauerhaft zurückzukehren, und Salka Viertel hatte  – trotz ihrer Sehnsucht nach Europa  – im Frühjahr 1933 das Haus in der Mabery Road 165, das die Familie seit 1929 mietete, gekauft, um im drohenden »Weltgewitter« eine »Ecke« zu haben »wo man seinen eigenen Spinat fressen 42 BV an Salka Viertel, 30. Jänner 1933, 78.862/8, K34, A : Viertel, DLA. 43 BV, Amalia oder Die Hölle der Keuschheit, o.D., o.S., K10, A : Viertel, DLA. Dieser Blick auf Deutschland und Österreich entspricht jenem amerikanischer Psychologen auf die Nachkriegsge- sellschaften dieser Länder. Dass Salka und Berthold Viertel damals bereits amerikanische Erzie- hungsmethoden als viel offener wahrnahmen, belegen ihre Briefe aus dieser Zeit. 44 BV, Die Weihe des Führers/Die Berserker. Ein historisches Satyrspiel, o.D., o.S., NK05, A : Viertel, DLA. 45 BV an Salka Viertel, 21. Jänner 1933, 78.862/4, K34, A : Viertel, DLA. 46 Viertel, Das unbelehrbare Herz, 1970, 218. 47 Gough-Yates, Kevin, Berthold Viertels drei Filme bei Gaumont-British, in : Theodor-Kramer-Ge- sellschaft (Hg.), Traum von der Realität, 1998, 121–137 ; Gough-Yates, Kevin, Berthold Viertel at Gaumont-British, in : Richards, Jeffrey, The Unknown 1930s : An alternative history of the British cinema 1929–1930, London/New York 1998, 201–217 ; Bergfelder, Tim und Cargnelli, Christian (Hg.), Destination London, German-speaking Emigrés and British Cinema, 1925–1950, New York / Oxford 2008.
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Title
Berthold Viertel
Subtitle
Eine Biografie der Wiener Moderne
Author
Katharina Prager
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Size
15.5 x 23.2 cm
Pages
368
Category
Biographien

Table of contents

  1. Ein chronologischer Ăśberblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RĂśCKKEHR IN DIE Ă–STERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches GefĂĽhl 118
    3. Galizien 129
    4. JĂĽdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. MitschĂĽler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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