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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  68  | Berthold  Viertels  Rückkehr  in  die  österreichische  Moderne wieder wurde in der Familienkorrespondenz logistisch erörtert, wo jene Hefte lagen, die Berthold Viertel gerade benötigte, um weiterarbeiten zu können. Vie- les dürfte an den verschiedenen Wohn- und Arbeitsorten einfach vergessen worden sein, anderes wurde entsprechend unregelmäßig befüllt, ab- und weiter- geschrieben und kaum jemals datiert. Wenn Berthold Viertel sich entschloss, das autobiografische Projekt wieder aufzugreifen, fertigten oftmals verschiedene Personen typografische Abschriften für ihn an  – versehentliche und bewusste Eingriffe und Neuanordnungen sind schwer voneinander zu unterscheiden. Gedichte waren in der angespannten Zeit zwischen 1939 und 1948, zwischen London, Santa Monica, New York und Vermont offenbar leichter zu vollenden und zu sammeln : Im Jahr 1941 erschien der erste der beiden Gedichtbände, die als Viertels wichtigster Beitrag zur deutschen Exilliteratur angesehen werden. Er trug den Titel Fürchte dich nicht ! Auch Viertel hatte sich die Frage gestellt, ob man in dieser Zeit überhaupt noch Gedichte schreiben dürfe. Er begriff sein Dichten schließlich sogar als Pflicht, denn Gedichte sollten »Kampf und Hilfe« sein. In der Einleitung zu Fürchte dich nicht ! betonte er, dass es in den Gedichten darum gehe, die Wurzel der faschistischen Ungeheuerlichkeiten zu suchen  – und zwar »nicht nur im Lager der Feinde, sondern auch in seinem eigenen In- neren, seinem eigenen Gewissen und seinem nationalen und sozialen Hin ter- grund«66  – ein ähnlicher Ansatz wie im autobiografischen Projekt. 1942 erschien posthum Stefan Zweigs Die Welt von Gestern  – ein Buch, das bis heute großen Einfluss auf Darstellungen der Wiener Moderne genommen hat.67 Zweigs Selbstmord hatte das deutschsprachige Exil erschüttert und in diesem nachgelassenen Werk wurde eine verlorene Welt des Wiener Großbür- gertums vor dem Vergessen gerettet, sorgsam ausgestaltet und im Rückblick verklärt. Gerade dieses kompakte Bild des Wiener Fin de siècle, diese runde und »vollständige«, betont bürgerliche Autobiografie wurde für Berthold Viertel wichtig  – dazu konnte er seinen Gegenentwurf gestalten. Die Grundlagen des Nationalsozialismus im Wien um 1900 wie auch andere politische und kultu- relle Kontinuitäten kamen bei Zweig kaum zur Sprache und nur sein Vorwort griff die zeitgeschichtlichen Entwicklungen seither auf. Viertel war mit Zweig schon in der Zwischenkriegszeit lose befreundet gewesen und in der späten Exilzeit hatte sich die Freundschaft vertieft, als die beiden auch zusammenarbei- teten. Dennoch hatte Zweig bei einigen Gelegenheiten Viertels heftigen Wi- derspruch erregt : Etwa, als er die Jüdinnen und Juden im Exil um 1939 auffor- 66 Frey, Eberhard, Nachwort, in : Kaiser/Roessler/Bolbecher (Hg.), Viertel, Graues Tuch, 1994, 475– 490, 479 ; BV, Fürchte dich nicht !, New York 1941 ; Roessler, Doppelkonfrontation, in : Thunecke (Hg.), Echo des Exils, 2006, 344–361, 346. 67 Zweig, Stefan, Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers, Frankfurt am Main 1992, 18.
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Title
Berthold Viertel
Subtitle
Eine Biografie der Wiener Moderne
Author
Katharina Prager
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Size
15.5 x 23.2 cm
Pages
368
Category
Biographien

Table of contents

  1. Ein chronologischer Ăśberblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RĂśCKKEHR IN DIE Ă–STERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches GefĂĽhl 118
    3. Galizien 129
    4. JĂĽdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. MitschĂĽler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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