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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  86  | Berthold  Viertels  Rückkehr  in  die  österreichische  Moderne schen Antagonismus des Kalten Krieges zum eigenen Vorteil auszunützen : Geschickt spielten die ÖsterreicherInnen die scheinbare kommunistische Bedro hung gegenüber den Westmächten aus und machten den Kommunismus zum gemeinsamen Feindbild.49 Das hatte zur Folge, dass sich Österreich inner- halb des Marshallplans  – der wichtigsten Wirtschaftshilfe der Nachkriegszeit  – große Vergünstigungen sichern konnte.50 Nicht zuletzt bot sich der Antikommunismus ideal zur Ablenkung von Ag- gressionen, zur Verdrängung von Schuldgefühlen und zur Kaschierung innenpo- litischer Probleme an. Diese Ablenkung erwies sich als so ideal, dass im Um- kehrschluss nationalsozialistisches und antisemitisches Gedankengut bald wieder als nicht so verwerflich galten. Berthold Viertel brachte die intolerante Atmosphäre, die im hochkulturellen Bereich besonders virulent war, schon in seinen ersten Wiener Tagen 1948 auf den Punkt : »Wenn ein Künstler im östli- chen Berlin arbeiten will : ›Hätten Sie denn bei den Nazis gearbeitet, wird jetzt der Emigrant gefragt von den deutschen Künstlern, die bei und unter den Nazis gearbeitet haben.‹«51 Intellektuelle wie Berthold Viertel hatten den Marxismus im Europa des frühen 20.  Jahrhunderts noch als weltverändernde Utopie und als »großen ro- mantischen Narrativ« erlebt. Er erschien damals als »wesentliches Element fortschrittlicher Politik« und oft »unwiderstehlich« in seiner zentralen ethischen Botschaft, »kompromisslos für die Ausgebeuteten dieser Welt zu kämpfen«.52 Wie viele seiner ZeitgenossInnen hatte Viertel den Sozialismus als realisierbare Option betrachtet, wenn er auch nie formal Kommunist oder Mitglied einer anderen linken Partei wurde. Diese mächtige »alten Idee«  – die »von Ideologien geschädigt, aber nicht getötet« werden konnte53  – wirkte noch in ihm, als er 1948 feststellte, dass in Österreich die »Gleichschaltung zwischen dem Natio- nalsozialismus und den heutigen Russen vollzogen« war und so der Marxismus »verfehmt«, »der Sozialismus in Bausch und Bogen erledigt« werden sollte. Auch wenn Viertel inzwischen durchaus die Probleme der kommunistischen Welt sah, wollte er doch nicht einfach dem »westlichen Zweckdenken, das von Amerika importiert, vom British Labour genährt und fixiert wurde«, nachge- ben.54 Auch die KPÖ war von Anfang an in einer ungünstigen Defensivposi- 49 Antirussische Ressentiments hatten im österreichischen Raum ebenfalls eine lange Tradition und waren zuletzt durch die »antibolschewistische« NS-Propaganda verstärkt worden. 50 Rathkolb, Paradoxe Republik, 2005, 31–32. 51 BV, Arbeits-/Notizheft »Wien, Ankunft Dez. 1948«, o.D., 69.3142/43, K24, A : Viertel, DLA. 52 Judt, 20. Jahrhundert, 2010, 23 und 144–147. 53 BV, Fragmente/Gedichte, Sommer 1950, 69.3142/48, K24, A : Viertel, DLA. 54 BV, Arbeits-/Notizheft »Wien, Ankunft Dez. 1948«, o.D., 69.3142/43, K24, A : Viertel, DLA ; vgl. auch Fischer, Ernst, Das Ende einer Illusion. Erinnerungen 1945–1955, Wien 1973, 114 : »In un-
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Title
Berthold Viertel
Subtitle
Eine Biografie der Wiener Moderne
Author
Katharina Prager
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Size
15.5 x 23.2 cm
Pages
368
Category
Biographien

Table of contents

  1. Ein chronologischer Ăśberblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RĂśCKKEHR IN DIE Ă–STERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches GefĂĽhl 118
    3. Galizien 129
    4. JĂĽdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. MitschĂĽler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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