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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  146  | Erinnerungsorte  der  Wiener  Moderne tern rascher beruhigt hätte. […] [Die Großeltern] überließen ihn schließlich, nach- dem sie ihm gut zugeredet hatten, seinem hysterischen Weh […]. [Sie] hatten sieben [!] Kinder aufgezogen und durch arme Verhältnisse gesteuert, sie wussten Bescheid um die Empörungen der Anfänger des Lebens, die ja doch alle klein beigeben muss- ten.30 Die Wiener Leopoldstadt, Wiens traditionelles »Judenviertel«, in dem 1890 42 Prozent der Wiener Jüdinnen und Juden lebten,31 war eine »unterschiedliche Welt«, in der sich das kleinbürgerlich-assimilierte Kind nicht zurechtfand. Sie wies »den Charakter eines  – wenn auch freiwilligen  – Ghettos auf […].«32 He- noch und Esther Klausner lebten seit ihrem Umzug nach Wien durchgehend in Gegenden, in denen sich jüdische Bevölkerung ballte und ständig Zuzug aus der Provinz nachkam. Sie verblieben bewusst in einem kulturell jüdischen Ambiente oder einer Art »Stetl-Kultur«, von der sich abzugrenzen deutsch oder österrei- chisch akkulturierte Jüdinnen und Juden zunehmend bemüht waren  – darauf bedacht, nicht mit den orthodoxen »Ostjuden« aus der Provinz in einen Topf geworfen zu werden.33 Doch es gab noch weitere Lebenswelten in der drittgrößten jüdischen Ge- meinde Zentraleuropas, mit denen Berthold Viertel innerhalb seiner Familie konfrontiert war.34 Viertel plante, im autobiografischen Projekt der erfolgreichen Aufstiegsge- schichte seines Vaters die Abstiegsgeschichte seines Onkels Leopold, Salomons ältestem Bruder, gegenüberzustellen, um zu zeigen, dass nicht alle Jüdinnen und Juden aus Galizien tatsächlich im Bürgertum ankamen  – fertig ausgearbeitet hat er diese Geschichte, die auf Basis der Matriken der Israelitischen Kultusge- meinde schemenhaft rekonstruiert werden kann, allerdings nie : Leopold/Leo/ Leib Firtel/Fiertel/Viertl  – so die abweichenden Schreibweisen seines Namens  – kam 1875, etwa fünf Jahre vor seinem kleinen Bruder Salomon, nach Wien. Der Aufbruch aus Galizien blieb aber die einzige Gemeinsamkeit der Brüder, denn Leopold wurde zum Gegenbild des erfolgreichen Salomon stilisiert : 30 BV, Die Menschenrassen, in : Bolbecher/Kaiser (Hg.), Viertel, Cherub, 1990, 46–49. 31 Rozenblit, Marsha L, Die Juden Wiens 1867–1914. Assimilation und Identität, Wien 1988, 233. 32 BV, Die Menschenrassen, in : Bolbecher/Kaiser (Hg.), Viertel, Cherub, 1990, 46–49. 33 Csáky, Gedächtnis der Städte, 2010, 243–244. 34 Die Heterogenität des jüdischen Wiens ist inzwischen sehr ausführlich erforscht und beschrieben worden (vgl. neben dem schon mehrfach zitierten Albert Lichtblau vor allem : Rozenblit, Juden Wiens, 1988 ; Botz u.a. (Hg.), Eine zerstörte Kultur, 2002 ; Stern/Eichinger, Jüdische Erfahrung, 2009). Es gibt allerdings nur spärliches Quellenmaterial, das Rückschlüsse erlaubt, ob und wie Kon- takt gehalten wurde.
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Title
Berthold Viertel
Subtitle
Eine Biografie der Wiener Moderne
Author
Katharina Prager
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Size
15.5 x 23.2 cm
Pages
368
Category
Biographien

Table of contents

  1. Ein chronologischer Ăśberblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RĂśCKKEHR IN DIE Ă–STERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches GefĂĽhl 118
    3. Galizien 129
    4. JĂĽdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. MitschĂĽler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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