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felder Verwandtschaft gab. Es ist sogar wahrscheinlich, dass Salomon Viertel in
seinen ersten Wiener Jahren bei der Familie seines Bruders Leopold lebte und
all die UmzĂĽge und Geburten seiner Nichten und Neffen miterlebte. Er war also
seinem Bruder Leopold – trotz ihrer Gegensätzlichkeit – wahrscheinlich enger
verbunden, als das sein Sohn später wahrnahm. Es kam auch zu einer weiteren
innerfamiliären Kooperation : 1927 eröffnete Leopolds Sohn Rudolf 1927 zu-
sammen mit seinen Cousinen Paula Heim und Helene Bruckner – Berthold
Viertels Schwestern – die »Strickwaren Erzeugung Bruckner & Heim – Rudolf
Firtel«. Das Unternehmen lief nicht gut und um 1930 wurde der, in Hollywood
gutverdienende, Bruder/Cousin Berthold Viertel mehrfach gebeten, das ver-
schuldete Geschäft finanziell zu unterstützen – was er wohl auch tat.45
Berthold Viertel ging es in den nur lĂĽckenhaft ausgearbeiteten autobiografi-
schen Texten zum »jüdischen Wien« seiner Familie darum zu zeigen, dass ein
idealtypisch angenommener »beispielloser Aufstieg« ins Bürgertum nur einem
Teil der jüdischen Bevölkerung des Habsburgerreiches gelang und letztlich mit
den beiden Weltkriegen auch für diese Elite eine »Illusion« bleiben musste.
Diese Darstellung ist nicht nur deutlich eine Perspektive des Exils und der Re-
migration, sondern enthält auch – möglicherweise durch den Rückblick abge-
schwächt – antibürgerliche Haltungen des »kritisch-modernen« Sohnes. Wann
Berthold Viertel die familiären Gegenwelten zur eigenen bildungsbürgerlichen
Biografie zu interessieren begannen – möglicherweise im Kontext seiner
Freund schaften mit »jüdisch-proletarischen« Ottakringern wie Albert Ehren-
stein und Ernst Waldinger – und wie intensiv er sich tatsächlich damit befasste,
ist unklar – dass es Ansätze zu Geschichten über »andere« jüdische Leben in
Wien aber ĂĽberhaupt gibt, bleibt aber bemerkenswert.
45 Rudolf Fi[e]rtel an BV, 02. Juli 1930, 78.893/11, K38, A : Viertel, DLA.
Berthold Viertel
Eine Biografie der Wiener Moderne
- Title
- Berthold Viertel
- Subtitle
- Eine Biografie der Wiener Moderne
- Author
- Katharina Prager
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20832-7
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 368
- Category
- Biographien
Table of contents
- Ein chronologischer Ăśberblick 7
- Einleitend 19
- 1. BERTHOLD VIERTELS RĂśCKKEHR IN DIE Ă–STERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
- 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
- Moderne in Wien 99
- Monarchisches GefĂĽhl 118
- Galizien 129
- JĂĽdisches Wien 139
- Katholische Dienstmädchen 150
- Deutsche Kultur 161
- Luegers Wien 173
- MitschĂĽler Hitler 184
- Jugendliche Kulturanarchisten 196
- Familie Adler 209
- Studium 228
- Sexuelle Emancipation 245
- Karl Kraus 268
- Theater 291
- Erster Weltkrieg 310
- Nachsatz 333
- Archivalien 336
- Dank 342
- Literaturverzeichnis 344
- Bildnachweis 358
- Personenregister 359