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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  180  | Erinnerungsorte  der  Wiener  Moderne Auch als bekennender »Atheist« und nichtpraktizierender Jude trat Berthold Viertel nie aus der israelitischen Kultusgemeinde aus und heiratete auch dreimal nach jüdischem Ritus. Als die Kultusgemeinde ihn 1952 mit 2.400,- Schillinge für die Jahre 1951/52 besteuerte  – ein hoher Betrag für ihn  – bat er um Herab- setzung der Summe und um Ratenabzahlung. Er beabsichtige keineswegs, sich dieser Verpflichtung zu entziehen, schrieb er, die er für seine »Ehrenpflicht als Jude« halte.37 Als aber wenige Monate vor seinem Tod die »Steuer-Angelegen- heit« noch immer nicht seinen Umständen entsprechend geregelt war, erklärte Viertel verärgert : Sie werden wahrscheinlich gehört haben, dass ich mich zu meinem Judentum auch in schwerster Zeit bekannt habe, und zwar nicht nur als Privatperson, sondern öffentlich als Schriftsteller, sowohl in Deutschland als auch während meiner Emigrationszeit […]. Ich darf wohl erwarten, dass Sie mich nicht durch einen Mangel an Einsicht in meine ganze Lebens- und Arbeitssituation zu einem Schritt zwingen werden, den selbst Hitler nicht von mir erzwingen konnte : zur Lösung der ein Leben lang gewahr- ten und bekannten Zugehörigkeit zur jüdischen Religionsgemeinschaft. Dies wäre für mich ebenso schmerzlich, wie es für Sie wohl kaum erwünscht wäre.38 Trotz dieser formal ungebrochenen lebenslangen Loyalität bekannte Viertel auch, dass sich sein »Judentum« in seiner Jugend manchmal wie eine »Krankheit« an- fühlte  – »es war eine Zeit, da man in guter bürgerlicher Gesellschaft von diesem Übel schwieg und es nicht wahr haben wollte.«39 Zumindest zeitweise ließ sich diese »Krankheit« aber vergessen : »Juden ! Wir waren keine mehr. Wir drängten uns gewaltigen Eifers in die jüngeren Zeiten, an ihnen mitzuwirken hell bestrebt.«40 Im »gewaltigen Eifer« der Kulturkritik der Moderne kam es auch öfter zu antisemitischen Äußerungen durch Jüdinnen und Juden. Da in Öster- reich Liberalismus, Fortschritt, Kapitalismus und die liberale Presse so stark »jü- disch besetzt« und kodiert waren, bedienten sich jene, die dagegen Stellung bezo- gen, fast automatisch einer judenfeindlichen Rhetorik, die heute befremdet.41 o.D, 62/a–b, K12 ; Der posthistorische Mensch/Der Schmelztiegel, o.D., 73, K12  – beide in A : Viertel, DLA). 37 BV an Steuerschätzungskommission der IKG, 1. August 1952, o.S., NK17, A : Viertel, DLA. 38 BV an die IKG Wien, 29. Mai 1953, o.S., NK14, A : Viertel, DLA. 39 BV, Autobiographie. Österreich. Illusionen, o.D., o.S., K19, A : Viertel, DLA. 40 BV, Gedichte/Prosa 1944, Wir Juden, o.D., o.S., K04, A : Viertel, DLA ; Timms, Dynamik der Kreise, 2013, 48–51. Auch Ernst Gombrich beurteilte dieses »Verschweigen« positiver als ein Nicht- Einlassen auf die Kategorien der Antisemiten (Gombrich, »Niemand hat je gefragt …«, in : Botz u.a. (Hg.), Eine zerstörte Kultur, 2002, 85–94, 88). 41 Schleichl, Sigurd Paul, Nuancen in der Sprache der Judenfeinde, in : Botz u.a. (Hg.), Eine zerstörte
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Title
Berthold Viertel
Subtitle
Eine Biografie der Wiener Moderne
Author
Katharina Prager
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Size
15.5 x 23.2 cm
Pages
368
Category
Biographien

Table of contents

  1. Ein chronologischer Ăśberblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RĂśCKKEHR IN DIE Ă–STERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches GefĂĽhl 118
    3. Galizien 129
    4. JĂĽdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. MitschĂĽler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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