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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  202  | Erinnerungsorte  der  Wiener  Moderne haus, »nicht selten in Sandalen, im Havelock« faszinierte Berthold Viertel : »Späthellene und Urchrist, Säufer und Asket, Romantiker und Hyperrealist. Hygieniker, Eugeniker […], Narr und Weiser, Sünder und Apostel in einer Per- son, war er verlacht und vergöttert.«36 In seinen lebensreformerischen Selbstver- suchen stellte Altenberg ein ganz anderes »role-model« dar als der angepasste junge Dichter Hugo von Hofmannsthal, den Stefan Zweig verehrte.37 Altenberg stellte soziale Praktiken und unwahren (bürgerlichen) Lebensstil in Frage und befasste sich mit neuen Phänomenen wie Hygiene, Reklame und Film.38 Vier- tels Klavierlehrer, der »Peter« zufällig aus den Nachtcafés kannte, musste wö- chentlich Fragen zu dem verehrten »P.A.« beantworten und durch den »Edel- mut« seines Mitschülers und Freundes »B.«  – Erhard Breitner, der Altenberg brieflich gebeten hatte, Viertel zu empfangen  – lernte Berthold Viertel Alten- berg 1898 sogar persönlich kennen. Diese erste Begegnung, die Viertel 1923 selbstironisch schilderte, führte vorerst zu nichts als einigen »Ratschlägen« an den jungen Kollegen. Erst um 1904 lernte Viertel Altenberg wirklich kennen.39 Doch die Schwelle des Café Central, das zur eigentlichen »Schule« in Viertels Leben wurde, wurde 1898 erstmals überschritten  – »[…] diese gesegnete, ver- fluchte Ecke, an der mein Leben […] begonnen zu haben schien, um auch hier zu enden. Niemals wieder bin ich über diese bürgerlich-unbürgerliche Ecke hinausgekommen, so weit ich auch herumkam.«40 Nur wenige Monate nach der Begegnung mit Altenberg, erschien im April 1899 erstmals eine Zeitschrift namens Die Fackel, die zum Leitmedium vieler Kulturanarchisten oder »kritischer Moderner« wie Viertel werden sollte. Ihr Herausgeber Karl Kraus war mit Peter Altenberg befreundet. Und es war mög- licherweise wiederum Max Werter, der seinen Neffen auf die Neuheit hinwies. Gesetzt es wäre im heutigen Wien plötzlich, dass eines Tages das erste Heft einer Zeitschrift erschiene, die den beredten, ja vehementen Widerspruch eines Einzelnen gegen die allgemein verbreitete Meinung und Wertung in kulturellen Dingen anmel- dete ? […] Stellen wir uns also vor, dass […] in Wien die erste Fackel erschiene, etwa in der Art, wie sie am 1.  April 1899 […] tatsächlich die […] Tabaktrafiken […] mit roten Heften überschwemmte. […] Die erste Auflage der Zeitschrift war in wenigen Tagen vergriffen. […] Einer meiner Onkel sagte mir beiläufig : ›Wenn Du gutes Deutsch lesen willst, so kaufe Dir die Fackel. Er empfahl mir die Fackel nicht etwa 36 BV, Heimkehr nach Europa, geschrieben um den 9. November 1932, 296, K19, A : Viertel, DLA. 37 Zweig, Welt, 1992, 63–73. 38 Lensing, Leo A. und Barker, Andrew, Peter Altenberg : Rezept die Welt zu sehen. Kritische Essays, Briefe an Karl Kraus, Dokumente zur Rezeption, Titelregister der Bücher, Wien 1995. 39 BV, Erinnerung an Peter Altenberg, in : Bolbecher/Kaiser (Hg.), Viertel, Cherub, 1990, 131–138. 40 BV, Café Central [Heft II], o.D. [wahrscheinlich Dezember 1948], o.S., K19, A : Viertel, DLA.
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Title
Berthold Viertel
Subtitle
Eine Biografie der Wiener Moderne
Author
Katharina Prager
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Size
15.5 x 23.2 cm
Pages
368
Category
Biographien

Table of contents

  1. Ein chronologischer Ăśberblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RĂśCKKEHR IN DIE Ă–STERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches GefĂĽhl 118
    3. Galizien 129
    4. JĂĽdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. MitschĂĽler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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