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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  Familie  Adler |  213 »Radikal und sofort« leben  – »[w]ir taten damals alles ganz«  – war Berthold Viertels und Karl Adlers Credo in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts.24 Die beiden 16-Jährigen fälschten die väterlichen Unterschriften, um während der Schulzeit durch die Stadt zu »bummeln«. Sie stahlen Geld aus Salomon Viertels Kasse, schlossen Freundschaft mit »Messerstechern« und verwetteten ihr Geld bei Pferderennen  – vor allem Karl Adler, der »verlor wie ein Gott«. Sie saßen nächtelang »mit Huren«, die sie als »geheime Verbündete achteten«, in Nacht- cafés und lasen in den Zeitungen »nur die Mordprozesse«. Karl Adlers Schön- heit zog Mädchen »magisch« an und wenn die beiden Freunde in dunklen, dreckigen Teilen Wiens in »gefährliche Situationen« kamen, war ihnen das umso lieber. Später fragte sich Berthold Viertel im Hinblick auf Karl Adler : »War das […] sein Glaube von Uranfang an ? Oder habe ich ihm den eingeflößt ? War ich auch daran schuld ?«25 Die beiden jungen Männer folgten in ihrer Lebenstheorie und -praxis dem verehrten Peter Altenberg und lehnten darauf basierend die deutsche bürger- lich-humanistische Kultur, der Victor Adler so eng verbunden war und die auch die Grundlage der sozialdemokratischen Kultur- und Bildungspolitik bildete, als das »Gebein gestorbener Welten« ab. Die Sozialdemokratie verstand sich als »Repräsentantin eines ›vernünftigen Subjekts‹«, während dieses durch die mo- derne Kultur schon stark in Frage gestellt worden war.26 Der These, dass durch Vermittlung einer klassischen, bürgerlichen Hochkultur aus der Arbeiterschaft der »neue Mensch« der austromarxistischen Theorie entstehen sollte, konnten Karl Adler und Berthold Viertel entsprechend nichts abgewinnen :27 Wir gingen in die Arbeiterheime und belauschten, von Grimm vereist, die Ausreden der Führer. Wir sahen die Sklaven dieser Welt sich mit Anklagen und Versprechen 24 BV, Österreichische Illusionen/Der Knabe Robert Fürth, o.D., o.S., NK12, A : Viertel, DLA. 25 BV, Stümper/Tagebuch eines Stümpers  – zweites Buch, o.D., o.S., A : Viertel, DLA, und BV, Paris, in : Bolbecher/Kaiser (Hg.), Viertel, Cherub, 1990, 139–141. 26 Rabelhofer u.a., Narration von Ganzheit und Fragmentierung, in : Csáky u.a. (Hg.), Kultur, 2004, 423–450, 435–436. 27 BV, Paris, in : Bolbecher/Kaiser (Hg.), Viertel, Cherub, 1990, 139–141 : Altenberg hatte Viertel 1898 erklärt, er habe bis zu seinem 38.  Lebensjahr nur gelebt und dann erst geschrieben. Vgl. Rabinbach, Politik und Bildung, in : Archiv. Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Arbeiterbewegung, Wien 1998, 7–36, 7–9 : »Daß dieses Konzept der [klassischen, humanistischen] Bildung in keiner Weise als mit den marxistischen Prinzipien unvereinbar verstanden wurde, zeugt für die Macht des Kon- zepts unter jenen mitteleuropäischen Intellektuellen, die die Führung der Partei stellten.«  – Gruber, Helmut, Red Vienna. Experiment in Working-Class Culture 1919–1934, New York/Oxford 1991, und Nussbaumer, Martina, Sozialistisch, christlich oder »neutral« ? Vom Kampf um die richtige Bildung, in : Kos (Hg.), Kampf, 2010, 79–88.
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Title
Berthold Viertel
Subtitle
Eine Biografie der Wiener Moderne
Author
Katharina Prager
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Size
15.5 x 23.2 cm
Pages
368
Category
Biographien

Table of contents

  1. Ein chronologischer Ăśberblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RĂśCKKEHR IN DIE Ă–STERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches GefĂĽhl 118
    3. Galizien 129
    4. JĂĽdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. MitschĂĽler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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