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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  218  | Erinnerungsorte  der  Wiener  Moderne Karl versprach seinen Eltern auch, sie regelmäßig mit Nachrichten zu versorgen, doch dann vergingen elf Tage, bis den Adlers der nächste Zettel von ihrem Sohn zugestellt wurde : »Endlich habe ich einen Posten. […] Mir geht es gut ! Und plötzlich nur ist mir eingefallen, dass Ihr Euch auch ängstigt. […] Nur keine Angst ! Ich lebe hier wie in Wien so sicher.« Aus dem beiliegenden Blatt an den Übermittler des Briefes ging allerdings hervor, dass »[d]as was am Zettel steht […], einstweilen nicht wahr [ist]. Ich und Viertel sind getrennt und haben jeder kein Geld«50. Die Familien Adler und Viertel waren in hellster Aufregung. Die Adlers waren empört, dass ihr Sohn sich so »roh und gedankenlos« verhielt und ihre »ganze eselhafte Affenliebe« auf diese Weise erwiderte. Für sie war sein Aus- bruch schlicht »überflüssig«.51 Der 24-jährige Fritz Adler erfuhr am 16.  Juli von Karls Ausriss. Er hatte seinen jüngeren Bruder kurz zuvor wegen seines Durch- fallens noch zu beraten versucht  – auch er hatte in seinem letzten Schuljahr heftige Konflikte mit dem Vater gehabt.52 Selbst erstmals werdender Vater analysierte Fritz nun in Briefen an die besorgten Eltern Karls Charakter und ihre eigene Rolle : Die »bürgerliche Familie« sei ihnen doch nie heilig gewesen, schrieb er : Zwar herrsche »Kindern gegenüber«, auch bei den Adlers, notge- drungen »Absolutismus«, aber : »er ist nur solange berechtigt, als sich ihn die Kinder gefallen lassen. Und mag der Absolutismus unseres Vaters auch noch so aufgeklärt gewesen sein, er musste überwunden und beseitigt werden von jedem von uns […].«53 So verteidigte Fritz den Schritt seines Bruders als »selbstver- ständlich«. Dennoch sei es traurig, dass »ein Mensch, der 18 Jahre mit uns war, sich zu einem so von uns verschiedenen Menschen entwickelt hat«. Und auch wenn Befürchtungen berechtigt seien, dass Karl sich »unglücklich mache«, plä- dierte Fritz Adler dafür, dass er nach seiner Rückkehr »nicht gebrochen werde, sondern man soll ihm helfen, die Bahnen zu finden, in denen er leben kann«54. Karl Adler und Berthold Viertel hatten mittlerweile um den 20.  Juli 1903 die Metropole Paris erreicht.55 Der genaue Reiseverlauf der beiden ist nicht nach- vollziehbar, zumal auf Karl Adlers Angaben wenig Verlass ist und Berthold Viertel sich erst viel später zurückerinnerte. Sie dürften öfter getrennte Wege gegangen sein. Karl Adler versuchte offenbar in München und Köln Arbeit als 50 Karl Adler an Victor Adler, o.D., fol. 17, K1, M2, T1 ; Karl Adler an »Wanderer«, 18. Juli 1903 [an- gekommen am 20.  Juli 1903], K1, M3, T5, Teilnachlass Karl Adler, VGA. 51 Victor Adler an Karl Adler, 2. August 1903, fol. 11–12, K1, M21, T1, Teilnachlass Karl Adler, VGA. 52 Ardelt, Friedrich Adler, 1984, 67. 53 Friedrich Adler an Victor und Emma Adler, 18. Juli 1903, M76, T3, Adler Archiv, VGA. 54 Friedrich Adler an Victor und Emma Adler, 16. und 18. Juli 1903, M76, T3, Adler Archiv, VGA. 55 An diesem Tag war Papst Leo XIII. gestorben und die Nachricht ging eben um die Welt, wie sich Viertel erinnerte.
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Title
Berthold Viertel
Subtitle
Eine Biografie der Wiener Moderne
Author
Katharina Prager
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Size
15.5 x 23.2 cm
Pages
368
Category
Biographien

Table of contents

  1. Ein chronologischer Überblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RÜCKKEHR IN DIE ÖSTERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches Gefühl 118
    3. Galizien 129
    4. Jüdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. Mitschüler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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