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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  Familie  Adler |  219 »Adressenschreiber« oder Kellner zu finden. Viertel hingegen berichtete nur von Paris und beschrieb, wie von Anfang an das Geld knapp war und er gleich zu Beginn den Ring seiner Mutter versetzte ; wie er und Karl im Quartier Latin wohnten und »beschlossen auf Museen zu verzichten«, da ihnen das echte Le- ben auf den Straßen spannender erschien ; wie ihr Empfehlungsschreiben sich als nutzlos erwies, da die Pariser Theater im Sommer geschlossen waren. Er er- innerte sich weiter, wie sie in einer Kartonagewarenfabrik Arbeit suchten und feststellen mussten : »Die Arbeiter wollten uns nicht ! Unter dieser Erkenntnis brach unser phantastischer Übermut zusammen« ; wie das Geld schließlich aus- ging und er zwei Tage lang hungerte ; wie er in diesem Zustand vor den Fenstern eines Pariser Restaurants »mit äußerstem Trotz« Hamsuns Hunger las und sich zum erfolglosen Betteln entschloss : »Fürs Leben verdorben, wer nicht betteln kann.«56 Um den 25.  Juli »kapitulierten« die beiden. Karl Adler soll »heimlich« an seinen Vater telegrafiert haben.57 Erhalten hat sich nur ein Brief Karl Adlers, in dem er schrieb : »Ich wollte in eine Fabrik oder in eine große Buchhandlung. Da ich das jetzt nicht kann, bitte ich Dich, falls Du es Dir seither nicht überlegt hast, […] sehr, mir das jetzige Absolvieren der einjährigen Studien zu ermögli- chen. Je früher je lieber.«58 Postwendend und telegrafisch schickte Victor Adler Geld für Verpflegung und Rückreise und ergänzte : »telegrafiere was berthold tut, seine mutter besorgt.«59 Er schickte die beiden jungen Männer vorerst zu Fried- rich Adler, der den Sommer in Freiburg im Breisgau verbrachte, um dort alles Weitere zu entscheiden : »Sofort und ohne Kampf war unser Traum zusam men- gebrochen.«60 Fritz und Kathia Adler berichteten bald, dass die beiden jungen Männer, die »doch etwas herunter« waren, sich gut erholten und die »ganze Sache« doch »viel kindischer [war], als man es sich vorstellen konnte«61. Karl Adler gab sich erstaunt über die große Sorge und den entsprechenden Ärger seiner Eltern, mit denen er sich völlig im Einverständnis geglaubt hatte  – er habe doch nur um seines Freundes Berthold willen seine Reisepläne geheim gehalten.62 Victor Adler wiederum empfand es als »bitter«, dass Karl so »ganz ausgefüllt« war »von der Sorge, dass der gute Berthold nur ja nicht die leisesten Scherereien habe«. Nicht zuletzt setzte er sich auch für die Eltern Viertels ein, die in Sorge um 56 BV, Paris, in : Bolbecher/Kaiser (Hg.), Viertel, Cherub, 1990, 139–147. 57 Ibid. 58 Karl Adler an Victor Adler, 25. Juli 1903, K1, M2, T1, Teilnachlass Karl Adler, VGA. 59 Victor Adler an Karl Adler, 28. Juli 1903, K1, M1, T1, Teilnachlass Karl Adler, VGA. 60 BV, Paris bzw. Heimkehr nach Europa, in : Bolbecher/Kaiser (Hg.), Viertel, Cherub, 1990, 147. 61 Kathia Adler an Victor Adler, 3. August 1903, M76, T4, Adler Archiv, VGA. 62 Karl Adler an Victor Adler, 30. Juli 1903, M76, T3, Adler Archiv, VGA.
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Title
Berthold Viertel
Subtitle
Eine Biografie der Wiener Moderne
Author
Katharina Prager
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Size
15.5 x 23.2 cm
Pages
368
Category
Biographien

Table of contents

  1. Ein chronologischer Überblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RÜCKKEHR IN DIE ÖSTERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches Gefühl 118
    3. Galizien 129
    4. Jüdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. Mitschüler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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