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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  232  | Erinnerungsorte  der  Wiener  Moderne würde«19. Das Studium war also insofern wohl nicht der prägendste Einfluss dieser Lebensphase, doch aus Viertels studentischem Meldebuch und Texten des autobiografischen Projekts wird deutlich, dass er doch zahlreiche Lehrver- anstaltungen besuchte und verschiedenen Denkschulen begegnete : Im Wintersemester 1904/05 beschäftigte er sich vorerst mit Fremdsprachen, im Sommersemester 1905 meldete er sich zu einer Vorlesung über die »Haupt- richtungen in der Philosophie der Gegenwart« bei dem Kantianer Robert Rei- ninger an und hörte zugleich bei Professor Friedrich Jodl.20 In Reininger und Jodl erlebte Viertel die beiden Pole des philosophischen Spannungsfeldes an der Wiener Universität : Kant und Anti-Kant. Generell war die österreichische Philosophie um 1900 positivistisch und an- timetaphysisch ausgerichtet und wandte sich damit von in Deutschland vertre- tenen idealistischen Strömungen, kantianschen und neokantianschen Denk- schulen wie auch von katholisch fundierter Metaphysik ab. Diese Dominanz der empirischen, deskriptiven Psychologie und der positivistischen Wissenschafts- theorien als »Eigenart der österreichischen Philosophie« stand in der Nachfolge von Leibniz, Locke und Hume und damit der »englischen« Tradition näher als der deutschen. 21 Es gab aber auch in Wien entsprechende Gegenströmungen, eben Kantianer wie Reininger oder (katholische) Metaphysiker wie Othmar Spann und Dietrich von Hildebrand, spätere Theoretiker des Dollfuß/Schusch- nigg-Regimes. Vorlesungen der beiden Letzteren sind in Viertels Meldebuch nicht verzeichnet. Friedrich Jodl war in diesem Sinne ein prototypischer Vertreter der österrei- chischen »Hauptlinie« : Gegen den spekulativen Idealismus entwickelte er seine »realistische, erfahrungsbezogene Wirklichkeitsphilosophie« und bereitete so den Boden für die Neopositivisten des Wiener Kreises. Seit der Physiker und Wissenschaftstheoretiker Ernst Mach  – der »das Ich […] in ein Bündel zufälli- ger Sensationen«22 aufgelöst hatte  – 1898 zu unterrichten aufgehört hatte, galt der aus Bayern stammende sozialliberale Aufklärer Jodl als der interessanteste Philosoph und Psychologe an der Wiener Universität. Er setzte sich aktiv für die 19 BV, Die Zwischenwelt, o.D., o.S., NK05, A : Viertel, DLA. 20 Nationalen der philosophischen Fakultät, Wintersemester 1904/05 und Sommersemester 1905, AUW. 21 Csáky u.a., Pluralitäten, Heterogenitäten, Differenzen. Zentraleuropas Paradigmen für die Moderne, in : Csáky u.a. (Hg.), Kultur, 2004, 13–44, 27–28 ; Haller, Rudolf, Philosophy  – Tool and Weapon, in : Stadler, Friedrich und Weibel, Peter (Hg.), Vertreibung der Vernunft/The Cultural Exodus from Austria, 2nd, rev. and enlarged edition, Wien 1995, 80–87, 83–84 ; Schmied-Kowarzik, Wolfdietrich, Vergessene Impulse der Wiener Philosophie um die Jahrhundertwende, in : Nautz/Vahrenkamp (Hg.), Wiener Jahrhundertwende, 1993, 181–201. 22 BV, Geburtstage. Skizze einer Epoche, in : Kaiser/Roessler (Hg.), Viertel, Überwindung, 1989, 192.
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Title
Berthold Viertel
Subtitle
Eine Biografie der Wiener Moderne
Author
Katharina Prager
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Size
15.5 x 23.2 cm
Pages
368
Category
Biographien

Table of contents

  1. Ein chronologischer Ăśberblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RĂśCKKEHR IN DIE Ă–STERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches GefĂĽhl 118
    3. Galizien 129
    4. JĂĽdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. MitschĂĽler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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