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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  Sexuelle  Emancipation |  247 kein Begriff geben. […] Ich besudelte meine Reinheit und gieng  –  –  – [zu einer Pro- stituierten] (14 ¾ Jahre alt). Ich müsste jetzt mit schrecklicher Geduld Details häufen, um wahr zu sein, eine Arbeit, der ich nicht gewachsen bin. […] Oh wie ich überreizt war in erotischem Fieber […]. Gewiss ich habe die 1-Gulden-Mädchen als Madon- nen angebetet. […] Fluch über alle Schriftsteller, die mich hierin unterstützten, P.A. [Peter Altenberg], etc. […].10 Auch masochistische Pubertätsträume  – um »barbarische Banden«, die ihn und ein gleichaltriges Mädchen, »in das er sich […] verliebt hatte«, in ihre »sich unterhalb Wiens ausbreitende Unterwelt verschleppten und sie dort folterten und zu grausigen, besudelnden Handlungen zwangen«  – dokumentierte Ber- thold Viertel mehrfach.11 Ebenso seinen ersten Besuch bei einer Prostituierten in der Spittelberggasse, wahrscheinlich im Februar 1900 : [D]ie gutmütige, etwa sechsundzwanzig Jahre alte Brünette, in deren Arm sich der […] Knabe eines Nachmittags, direkt vom bürgerlichen Tee der Mutter kommend, geflüchtet hatte, benahm sich selbst sehr mütterlich und überaus zartfühlend und liebevoll. Sie warnte den Knaben, der ihr seine Unschuld sofort eingestanden hatte, gegen ihr eigenes Interesse, vor öfteren Wiederholungen derartiger Ausflüge, belehrte ihn über die Gefahren der Ansteckung, und während sie dem Verstummten und Geistesabwesenden das Haar aus der Stirn strich und ihm die Krawatte band, empfahl sie ihm eine jüngere Freundin in der Gutenberggasse, mit der Versicherung, dass diese eine anständige, verlässliche Person sei, von der ihm nichts Böses drohe. Es fehlte nicht viel und der Adept hätte der eigenen Mutter dieses Ereignis erzählt, das keinen widerwärtigen Eindruck bei ihm hinterlassen hatte, und auf das er stolz war ; das er daher auch keineswegs allzu geheim hielt.12 Der Besuch einer Prostituierten als sexuelle Initiierung war repräsentativ für Generationen heranwachsender Bürgersöhne in Wien um 1900 und darüber wurde durchaus offen gesprochen. Als problematisch empfand man allein die damit verbundenen Risiken (Geschlechtskrankheiten, Schwangerschaft).13 Im Sommer 1896 gab es in Wien etwa 2.400 registrierte Prostituierte und min- destens zehnmal so viele, die nicht registriert waren  – bei einer Bevölkerung 10 Ibid.; diese Selbstbeobachtung unterschied sich in ihrer Offenheit etwa stark von Stefan Zweigs Darstellungen : Zweig, Welt, 1992, 86–113 ; vgl. Matuschek, Oliver, Stefan Zweig. Drei Leben  – Eine Biographie, Frankfurt am Main 2006 ; Weinzierl, Ulrich, Stefan Zweigs brennendes Geheim- nis, München 2015. 11 BV, [Marie]/Die Stadt der Kindheit, in : Bolbecher/Kaiser (Hg.), Viertel, Cherub, 1990, 30 und 104. 12 BV, Die Stadt der Kindheit, in : Bolbecher/Kaiser (Hg.), Viertel, Cherub, 1990, 104. 13 Maderthaner/Musner, Anarchie, 1999, 96.
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Title
Berthold Viertel
Subtitle
Eine Biografie der Wiener Moderne
Author
Katharina Prager
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Size
15.5 x 23.2 cm
Pages
368
Category
Biographien

Table of contents

  1. Ein chronologischer Ăśberblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RĂśCKKEHR IN DIE Ă–STERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches GefĂĽhl 118
    3. Galizien 129
    4. JĂĽdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. MitschĂĽler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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