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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  252  | Erinnerungsorte  der  Wiener  Moderne und viertens für die »Entlastung der Sodomie«.38 Da »unnormale Triebe« gerade bei jenen Menschen erkennbar wären, »deren Leistungen im besten Sinne des Wortes unnormal genannt werden müssen«  – bei »großen Künstlern und Den- kern«  – dränge der »Glaube an die menschliche Entwicklungsfähigkeit in kul- tureller Hinsicht« zur »Forderung nach freier Sinnlichkeit«.39 Für Berthold Viertel hatte Soykas Interpretation von »Perversitäten als Ausdruck einer Art von schaffender Liebe, d. h. eines Eros, der […] auf Ideenzeugung abzielt«, etwas »durchaus Überzeugendes und Enthusiasmierendes« : In seiner Philosophie verbanden sich Schopenhauer, Ibsen mit Freud und Marquis de Sade. […] Sie erklärte die Kunst, die großen Männer, das Menschlichkeits-Entwi- ckelnde im Verhältnis von Mann und Weib, von Mann und Mann. Dort wo Freud als Gesundheit das Bürgerlich-Normale vorschwebt, wurden von Soyka das Unter- und Überbürgerliche […] fundiert.40 Als sich Viertel am 3.  August 1948 mit diesen Worten an seine Freundschaft mit dem »vielleicht merkwürdigsten, wenn nicht denkwürdigsten Menschen meiner Jugend«41, erinnerte, waren die beiden einander gerade in Zürich wieder- begegnet und behandelten sich eher als entfernte Bekannte denn als Freunde. Zwischen 1908 und 1914, als Karl Kraus für Viertel immer wichtiger wurde, zog sich Otto Soyka zunehmend aus diesem Kreis zurück. Viertel rezensierte später Soykas Romane  – und gab sich dabei fast schon als »Philister«, wie er Karl Kraus gegenüber selbstkritisch anmerkte ;42 doch ansonsten ist kaum mehr etwas über diese Beziehung, die Zusammenarbeit und ihr Ende zu erfahren.43 Auch abseits von Soyka blieb es bei Viertels Einsatz für eine »Sinnlichkeit«, die »keine Konventionen [kannte]«44 Auch die moderne Literatur inspirierte wiederum zu einem Leben gegen gesellschaftliche Normen in der »sexuellen Frage«  – etwa Frank Wedekind, der »Un-Moral-Trompeter« und »Vorkämpfer 38 Ibid., 61–78 und 84–85. Soyka berief sich hier auf Freud, der gemeint hatte : »Die Allgewalt der Liebe zeigt sich vielleicht nirgends stärker als in ihren Verwirrungen.« 39 Ibid., 81 und 86. 40 BV, o.T. [Zürich, 4. August 1948], in : Rotes Heft, o.D. [1948], o.S., NK16, A : Viertel, DLA. 41 Ibid. 42 BV, Neue Menschen, in : Karl Kraus, Die Fackel 311–312 (1910), 40–47. 43 Briefe Otto Soykas an BV, 1933–1951, K44, A : Viertel, DLA. Verschlüsselt verarbeitete Viertel die Lehrer-Schüler-Beziehung auch in seinem Ariadne-Fragment : Soyka wurde in der Figur des Lehrers Martin, die die ersten Kapitel beherrschte, ein »Denkmal gesetzt« (BV, Ein Pfuscher/Der Überflüssige/Ich liebe dich, Ariadne. Aus den Papieren eines überflüssigen Menschen, o.D., o.S., K11, A : Viertel, DLA). 44 BV, Erinnerung an Peter Altenberg, in : Bolbecher/Kaiser (Hg.), Viertel, Cherub, 1990, 135.
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Title
Berthold Viertel
Subtitle
Eine Biografie der Wiener Moderne
Author
Katharina Prager
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Size
15.5 x 23.2 cm
Pages
368
Category
Biographien

Table of contents

  1. Ein chronologischer Ăśberblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RĂśCKKEHR IN DIE Ă–STERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches GefĂĽhl 118
    3. Galizien 129
    4. JĂĽdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. MitschĂĽler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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