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Berthold Viertel - Eine Biografie der Wiener Moderne
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  Karl  Kraus |  279 um in Deutschland Karriere als Regisseur zu machen. Weiterhin bezog Viertel regelmäßig die Fackel und schrieb Kraus, der allerdings nur telegrafisch oder telefonisch antwortete. Diese »unumstößliche Unmöglichkeit von ihm einen Brief zu bekommen, dieses Ausgeschlossensein forever einer menschlichen Spontanität«, machte es Viertel zunehmend schwerer, Kraus zu schreiben : »In Liebe kann ich schreiben, Briefe nämlich.«62 In den 1920ern war die Liebe noch stark genug und Berthold Viertel hielt Kraus in vereinzelten, aber langen Brie- fen über sein Leben auf dem Laufenden. Beide telefonierten auch, gratulierten sich telegrafisch zum Geburtstag und Viertel verständigte Kraus auf diesem Wege über die Geburten seiner Söhne. Immer wieder trafen sich die beiden, wenn Kraus in Deutschland vorlas  – was Viertel öfter initiierte  – oder kamen in Wien zusammen. »Ist Kraus noch in Berlin ? Sitzt Du wieder nächtelang mit ihm ? ! Schrecklich ! ! !«, klagte Salka Viertel im April 1923.63 Im Oktober desselben Jahres widmete Karl Kraus Berthold Viertel sein eben fertiggestelltes Stück Wolkenkuckucksheim und machte damit seine Hochachtung und Zuneigung zu Viertel öffentlich  – eine seltene Auszeichnung.64 Und im März 1924 ehrte wiederum Viertel Karl Kraus anlässlich des 25-jährigen Beste- hens der Fackel und des 50. Geburtstages ihres Herausgebers : Er inszenierte die Einakter Traumtheater und Traumstück an seinem Ensembletheater Die Truppe. Obwohl das Theater bereits gefährdet war, bezog Viertel mit dieser Feier und Inszenierung für Kraus Position gegen die marktorientierte Wiener und Berli- ner Kulturszene.65 »Dieser Abend wurde von jenen, die ihn miterlebt haben, ein historisches Ereignis genannt. Der moralische Mut […] verschwand zuneh- mend aus dem geistig-kulturellen Leben Deutschlands.«66 Dass Berthold Viertel sich zuvor recht unbefangen in dieser deutschen Kul- turszene bewegt und auch bei dem von Kraus verachteten Max Reinhardt insze- niert hatte, nahm ihm »Karl« offenbar nicht übel. Die zwei Monate dauernden Berliner Proben sollen eine »glückliche« Zeit gewesen sein, in der Kraus Viertels Regietätigkeit als Kunst anerkannte und ihm das »Du« anbot.67 Mit diesem »Du« sprach Kraus Viertel auch an, als er sich in der Fackel bei Viertel bedankte 62 BV an Ludwig Münz, 27. November 1935, 78.849/5, K32, A : Viertel, DLA. 63 Salka Viertel an BV, April 1923, 78.907/2, K45, A : Viertel, DLA. Sie wusste : »Für Berthold war Kraus ein Genie, ein Prophet, der größte Satiriker seit Swift«, sah ihn selbst aber kritisch und fand die Abende mit ihm anstrengend (Viertel, Das unbelehrbare Herz, 1970, 137). 64 Böhm, Herrmann »… der beste Mensch, den ich kannte«. Karl Kraus und sein Umgang mit Wid- mungen, in : Kaukoreit, Volker u.a. (Hg.), »Aus meiner Hand dies Buch …«. Zum Phänomen der Widmung, Wien 2006, 200–206, 200. 65 BV, Karl Kraus zum fünfzigsten Geburtstag, Wien 1924. 66 Viertel, Das unbelehrbare Herz, 1970, 176. 67 Heinrich Fischer 1959, in : Pfäfflin (Hg.), Nähe, 2008, 250.
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Berthold Viertel Eine Biografie der Wiener Moderne
Title
Berthold Viertel
Subtitle
Eine Biografie der Wiener Moderne
Author
Katharina Prager
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20832-7
Size
15.5 x 23.2 cm
Pages
368
Category
Biographien

Table of contents

  1. Ein chronologischer Ăśberblick 7
  2. Einleitend 19
  3. 1. BERTHOLD VIERTELS RĂśCKKEHR IN DIE Ă–STERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
    1. Außerhalb Österreichs – Die Entstehung des autobiografischen Projekts 47
    2. Innerhalb Österreichs – Konfrontationen mit »österreichischen Illusionen« 75
  4. 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
    1. Moderne in Wien 99
    2. Monarchisches GefĂĽhl 118
    3. Galizien 129
    4. JĂĽdisches Wien 139
    5. Katholische Dienstmädchen 150
    6. Deutsche Kultur 161
    7. Luegers Wien 173
    8. MitschĂĽler Hitler 184
    9. Jugendliche Kulturanarchisten 196
    10. Familie Adler 209
    11. Studium 228
    12. Sexuelle Emancipation 245
    13. Karl Kraus 268
    14. Theater 291
    15. Erster Weltkrieg 310
    16. Nachsatz 333
    17. Archivalien 336
    18. Dank 342
    19. Literaturverzeichnis 344
    20. Bildnachweis 358
    21. Personenregister 359
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