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Nach 1918
Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 - Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
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Page - 70 - in Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 - Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit

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70 Einleitung: Österreich und die deutsche Frage 1945–1990 Damit war ein recht treffliches Bild der österreichischen Haltung gezeichnet. Die Furcht vor einer Verschlechterung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen sowie möglichen Auswirkungen auf die eigenen EG-Beitrittsambitionen waren in Österreich augenscheinlich vorhanden. Das Stattfinden und der Verlauf des Besuches schienen die DDR-Einschätzung zu bestätigen. Durch das erneut un- terzeichnete jährliche Wirtschaftsabkommen war Österreich hier mit der DDR weiter als jeder andere westliche Staat. Im Gespräch mit Modrow hielt Vranitzky zur Haltung Österreichs betreffend eine „Wiedervereinigung“ fest: „Österreich betrachte dies primär als eine Entscheidung, die von den deutschen Staaten zu treffen sei, und würde auch diese Entscheidung respektieren. Andererseits müsse man aber auch den gesamteuropäischen Zusammenhang und in diesem Sinne auch die Beschlüsse der KSZE über die Stabilität in Europa in Betracht ziehen.“271 Vranitzky führte während des Besuchs auch Gespräche mit der Opposition, u. a. mit Steffen Reiche, und mit dem West-Berliner Bürgermeister Walter Momper von der SPD.272 Das Gespräch mit dem zaudernden Momper, der lange an einen Fortbestand der DDR glaubte und nicht von einer „Wiedervereinigung“, sondern vom „Wiedervereinigungsgequatsche“ sprach,273 dürfte Vranitzky in seiner auf Fortbestand ausgerichteten Haltung gegenüber der DDR eher bestärkt haben. Im Gegensatz zum belgischen Außenminister Mark Eyskens der zwei Wochen später als nächster, nicht aber letzter prominenter ausländischer Staatsmann die DDR besuchte,274 war Vranitzky nicht mit Egon Krenz, sondern mit Vertretern der Op- position zusammengetroffen. Das Nichtstattfinden solcher Treffen bei früheren Staatenbesuchen in Mittel- und Osteuropa in den Jahren zuvor war dem öster- reichischen Kanzler immer wieder zum Vorwurf gemacht worden. Die Bundesrepublik hatte am 20. November durch Kanzleramtsminister Ru- dolf Seiters ihre Sondierungen mit der neuen DDR-Führung aufgenommen. Kon- krete Versprechungen waren aber ausgeblieben, was die ostdeutsche Bevölkerung aus Sicht der österreichischen Botschaft Ost-Berlin enttäuscht haben soll und als eher kontraproduktiv im Ringen der Opposition mit der noch herrschenden SED um einen Reformprozess erschien.275 Der große bundesdeutsche Coup im Rah- men einer „One-Man-Show“ ließ aber nur wenige Tage auf sich warten. Am 28. November 1989 präsentierte Bundeskanzler Helmut Kohl im Deut- schen Bundestag sein Zehn-Punkte-Programm, das einen Fahrplan für einen über Zwischenschritte zu erreichenden möglichen Weg zur deutschen Einheit 271 Zum Besuch siehe Dok. 77–78. 272 BStU, MfS, HA XX / AKG, Nr. 5723; BStU, MfS, ZOS, Nr. 1099, Bl. 10–13. 273 Für die Wendung „Wiedervereinigungsgequatsche“ siehe: Dok. 79. Zur Haltung Mompers siehe Wilfried Rott, Die Insel. Eine Geschichte West-Berlins 1948–1990, München 2009, S. 411–421; sowie Walter Momper, Grenzfall. Berlin im Brennpunkt deutscher Geschichte, München 1991. Am 9. November 1989 hatte Momper vom „Wiedersehen“ gesprochen. 274 Siehe Dok. 90. 275 Siehe Dok. 75. Rudolf Seiters, Vertrauensverhältnisse. Autobiographie (Unter Mitarbeit von Carsten Tergast), Freiburg / Basel / Wien 2016, S. 135–143.
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Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
Title
Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
Subtitle
Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
Editor
Michael Gehler
Maximilian Graf
Publisher
Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
Location
Göttingen
Date
2018
Language
German
License
CC BY-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35587-5
Size
15.5 x 23.2 cm
Pages
792
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Einleitung: Österreich und die deutsche Frage 1945–1990 7
  2. I. Vorbemerkungen 7
  3. II. Ausgangsbedingungen und Vorgeschichte: Von der „doppelten Staatsgründung“ zur Perpetuierung deutscher Zweistaatlichkeit (1949–1987) 11
    1. 1. Die Entwicklung bis zum Entscheidungs- und Zäsurjahr 1955 11
    2. 2. Gescheiterte Vermittlungsversuche (1958–1963) 19
    3. 3. Die Entwicklung bis zum Grundlagenvertrag 1972 23
    4. 4. Österreich, die europäische Integration und die Anerkennung der DDR im Zeichen der Entspannung (1961–1972) 28
    5. 5. Das Verhältnis Österreichs zu den beiden deutschen Staaten bis zum Bonn-Besuch Honeckers (1972–1987) 32
  4. III. Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 38
    1. 1. Österreich und die scheinbare Stabilität des SED-Regimes 38
    2. 2. Die Grenzöffnung im Kontext der Langzeitentwicklungen und ihre direkten Folgen 43
    3. 3. Österreichs Annäherungen an das gemeinschaftliche Europa, die Bundesrepublik und die deutsche Frage 50
    4. 4. „Mauerfall“ und „Wiedervereinigung“: Die Haltung Österreichs bis Ende 1989 63
    5. 5. Österreich und die deutsche Frage Anfang 1990 75
    6. 6. Der Einigungsprozess und seine internationale Durchsetzung aus österreichischer Sicht 86
    7. 7. Österreichs Abschied von der DDR 92
    8. 8. Österreich, die deutsche Einheit und der Weg nach Europa – Bilanz und Ausblick 95
  5. IV. Editorische Vorbemerkungen 99
    1. Verzeichnis der Dokumente 103
    2. Dokumente 111
    3. Abkürzungsverzeichnis 723
    4. Literaturverzeichnis 731
    5. Personenregister 735
    6. Sachregister 773
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