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20./21.8.1987: Vorbereitungsunterlagen Treffen Vranitzky – Mittag Dok. 7
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und zweitens, sowjetischerseits, die konkludente Anerkennung der EG als politi-
sche Einheit und Gesprächspartner. Bei der letzten Gesprächsrunde zwischen EG
und RGW in Genf, im März d. J., zeigte sich, dass nurmehr schwerwiegende Hin-
dernisse in der Frage der „Berlin-Klausel“ bestehen: Für den RGW sei es bislang
nicht möglich gewesen, diese Territorialklausel in die „Gemeinsame Erklärung“
aufzunehmen, während die EG (unter deutschem Druck) darauf bestehen. Kom-
promissvorschläge (Briefwechsel, Erwähnung der Klausel in der Präambel oder
in einem Procès-verbal) werden derzeit geprüft.
Die Interessen der einzelnen RGW-Mitgliedsstaaten an bilateralen Abkommen
mit den EG sind unterschiedlich: Rumänien unterhält mit den EG bereits seit 1980
ein Handels- und Wirtschaftsabkommen, das jetzt erweitert werden soll. Für
Handelsvertragsverhandlungen mit der ČSSR, an deren baldigem Abschluss Prag
starkes Interesse hat, besteht bereits ein Kommissionsmandat. Für die Verhand-
lungen mit Ungarn hat die EG-K19 im April d. J. ein Mandat für ein Handels- und
Kooperationsabkommen erteilt, welches allerdings nach den „hochgespannten“
ungarischen Erwartungen kaum ein akzeptables Verhandlungsergebnis erlauben
wird. Polen und Bulgarien sind an bilateralen Abkommen sehr interessiert, wollen
aber das Rahmenabkommen abwarten. Der Sowjetunion ist mehr an politischen
Aspekten eines Abkommens EG-RGW gelegen, und die DDR schließlich ist am
wenigsten an Verhandlungen mit den EG interessiert, da sie ohnedies durch das
„Protokoll über den innerdeutschen Handel“ direkten Zugang zu dem für sie be-
deutendsten westlichen Markt hat und ihren Sonderstatus nicht beeinträchtigen
lassen will.
[…]20
Österreichs Teilnahme am Prozess der Europäischen Integration III.2 08/87
Die Regierungserklärung vom 28. Jänner d. J. sowie das „Arbeitsübereinkommen“
der SPÖ und der ÖVP über die Bildung einer gemeinsamen Bundesregierung vom
16. Jänner d. J.21 haben eine neue Phase der österr. Integrationspolitik mit umfas-
senden Charakter eingeleitet, die eine Weiterentwicklung der „Politik der kleinen
Schritte“, die die Jahre seit Abschluss der Freihandelsverträge von 197222 geprägt
19 EG-Kommission
20 Ausgelassen wurde das Executive Summary.
21 Arbeitsübereinkommen zwischen der Sozialistischen Partei Österreichs und der Öster-
reichischen Volkspartei über die Bildung einer gemeinsamen Bundesregierung für die Dauer
der XVII. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates. 16. Jänner 1987, Wien 1987.
22 Österreich schloss 1972 Abkommen mit den Europäischen Teilgemeinschaften (EWG und
EGKS), die laut Artikel 113 des Römischen EWG-Vertrags einfache Zoll- und Handelsver-
träge waren, d. h. keine Assoziationsverträge. Außenminister Rudolf Kirchschläger und Han-
delsminister Josef Staribacher unterzeichneten am 22. Juli 1972 die beiden Freihandels- bzw.
jeweils ein Interimsabkommen mit den zwei der drei westeuropäischen Teilgemeinschaften,
die Österreich bei seiner Mitwirkung am Integrationsprozess die Wahrung seiner Neutra-
litätsverpflichtungen zuerkannten. Die Interimsabkommen sahen einen um sechs Monate
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Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Title
- Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
- Subtitle
- Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Editor
- Michael Gehler
- Maximilian Graf
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35587-5
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 792
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Einleitung: Österreich und die deutsche Frage 1945–1990 7
- I. Vorbemerkungen 7
- II. Ausgangsbedingungen und Vorgeschichte: Von der „doppelten Staatsgründung“ zur Perpetuierung deutscher Zweistaatlichkeit (1949–1987) 11
- 1. Die Entwicklung bis zum Entscheidungs- und Zäsurjahr 1955 11
- 2. Gescheiterte Vermittlungsversuche (1958–1963) 19
- 3. Die Entwicklung bis zum Grundlagenvertrag 1972 23
- 4. Österreich, die europäische Integration und die Anerkennung der DDR im Zeichen der Entspannung (1961–1972) 28
- 5. Das Verhältnis Österreichs zu den beiden deutschen Staaten bis zum Bonn-Besuch Honeckers (1972–1987) 32
- III. Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 38
- 1. Österreich und die scheinbare Stabilität des SED-Regimes 38
- 2. Die Grenzöffnung im Kontext der Langzeitentwicklungen und ihre direkten Folgen 43
- 3. Österreichs Annäherungen an das gemeinschaftliche Europa, die Bundesrepublik und die deutsche Frage 50
- 4. „Mauerfall“ und „Wiedervereinigung“: Die Haltung Österreichs bis Ende 1989 63
- 5. Österreich und die deutsche Frage Anfang 1990 75
- 6. Der Einigungsprozess und seine internationale Durchsetzung aus österreichischer Sicht 86
- 7. Österreichs Abschied von der DDR 92
- 8. Österreich, die deutsche Einheit und der Weg nach Europa – Bilanz und Ausblick 95
- IV. Editorische Vorbemerkungen 99