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18.5.1988: Delegationsgespräch Mock – Fischer
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Dok. 21
zu schenken, da hier eines der wenigen aus österreichischer Sicht noch nicht ge-
lösten Probleme vorliege. Er ersuchte um eine großzügiger gehandhabte Anrech-
nungspraxis. (Auslegung des Transferabkommens)8
Bezüglich der von seinem Amtskollegen angesprochenen Fragen im Zusam-
menhang mit dem Herkunftsabkommen sei sich Österreich der Problematik be-
wußt. Was den Vertrag über Rechtshilfe in Strafsachen anbelange, habe man
ja 1986 einen Entwurf übergeben und stehe zur Verfügung für substantielle
Gespräche.
Außenminister Fischer nahm die Aussagen des HBM zu den angesprochenen
konkreten Fragen positiv auf. Er sagte zu, seinerseits die Frage der Honorarüber-
weisungen für österreichische Künstler sofort nach seiner Rückkehr überprüfen
zu lassen.9
Internationale Fragen:
Abrüstung:
AM Fischer stellte fest, dass die Welt nach Unterzeichnung des INF-Abkom-
mens10 am 8. Dezember 1987 anders aussehe. Es sei bewiesen worden, dass ato-
mare Abrüstung möglich sei. Nun müsse man den einmal eingeschlagenen Weg
fortsetzen, wobei weder Fragen betreffend eine bestimmte Waffengattung noch
Fragen der Kontrolle ausgespart bleiben dürften. In diesem Sinne hätten sich auch
die Außenminister Shultz und Schewardnadse bei ihrem Treffen in Genf11 für ein
Zug-um-Zug Voranschreiten12 ausgesprochen.
Der Warschauer Pakt habe der NATO das Angebot gemacht, die Zahlen betref-
fend vorhandene Rüstungsbestände offenzulegen. Jeder solle nach einem Wort
Erich Honeckers „das wegschaffen, was er zuviel habe“.
Bei der Frage der Beseitigung chemischer Waffen sei er – im Gegensatz zum
westdeutschen Außenminister Genscher – der Auffassung, dass regionale Ab-
kommen ein weltweites Abkommen unterstützen könnten. Regionale Initiativen
hätten ein ermutigendes Element und böten Erprobungsmöglichkeiten verschie-
dener Methoden und Ideen auf regionaler Ebene.
Außenminister Fischer betonte, dass ihm Bundeskanzler Dr. Vranitzky anläß-
lich ihres Gesprächs am 17.5.1988 zugesagt habe,13 die österreichische Entschei-
8 Abkommen zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Deut-
schen Demokratischen Republik über den nichtkommerziellen Zahlungsverkehr, BGBl. 598/
1982, S. 2679–2680.
9 Der Ausgang der Angelegenheit konnte nicht in Erfahrung gebracht werden.
10 Zum INF-Vertrag siehe Dok. 11, Anm. 21.
11 Die beiden Außenminister Eduard Schewardnadse und George Shultz trafen am 24. Novem-
ber 1987 im Rahmen der Genfer Abrüstungsverhandlungen zusammen und gaben gemeinsam
bekannt, dass eine Einigung über den INF-Vertrag erzielt wurde.
12 So im Original.
13 Ein österreichischer Vermerk über das Gespräch konnte nicht ausfindig gemacht werden.
Der SED-Bericht über den Besuch Fischers erwähnt die Zusage im Abschnitt über das Ge-
spräch mit Vranitzky nicht. In den Schlussfolgerungen wurde aber festgehalten: „Nach der
Benennung des offiziellen Vertreters der österreichischen Regierung (Generalsekretär Klestil,
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Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Title
- Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
- Subtitle
- Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Editor
- Michael Gehler
- Maximilian Graf
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35587-5
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 792
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Einleitung: Österreich und die deutsche Frage 1945–1990 7
- I. Vorbemerkungen 7
- II. Ausgangsbedingungen und Vorgeschichte: Von der „doppelten Staatsgründung“ zur Perpetuierung deutscher Zweistaatlichkeit (1949–1987) 11
- 1. Die Entwicklung bis zum Entscheidungs- und Zäsurjahr 1955 11
- 2. Gescheiterte Vermittlungsversuche (1958–1963) 19
- 3. Die Entwicklung bis zum Grundlagenvertrag 1972 23
- 4. Österreich, die europäische Integration und die Anerkennung der DDR im Zeichen der Entspannung (1961–1972) 28
- 5. Das Verhältnis Österreichs zu den beiden deutschen Staaten bis zum Bonn-Besuch Honeckers (1972–1987) 32
- III. Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 38
- 1. Österreich und die scheinbare Stabilität des SED-Regimes 38
- 2. Die Grenzöffnung im Kontext der Langzeitentwicklungen und ihre direkten Folgen 43
- 3. Österreichs Annäherungen an das gemeinschaftliche Europa, die Bundesrepublik und die deutsche Frage 50
- 4. „Mauerfall“ und „Wiedervereinigung“: Die Haltung Österreichs bis Ende 1989 63
- 5. Österreich und die deutsche Frage Anfang 1990 75
- 6. Der Einigungsprozess und seine internationale Durchsetzung aus österreichischer Sicht 86
- 7. Österreichs Abschied von der DDR 92
- 8. Österreich, die deutsche Einheit und der Weg nach Europa – Bilanz und Ausblick 95
- IV. Editorische Vorbemerkungen 99