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1.10.1990: Bericht Botschafter Schallenberg Dok. 175
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Präsident Mitterrand empfing den HBK anschließend zu einem länger als vor-
gesehen dauernden Gespräch.
Der Herr Bundeskanzler war von fünf Journalisten begleitet und führte mit die-
sen, ebenso wie mit den ho. akkreditierten Korrespondenten österreichischer Zei-
tungen und Vertretern der französischen Presseagentur, Informationsgespräche.
Die hauptsächlichsten Themen beider offiziellen Gespräche waren die euro-
päische Integration und der österreichische EG-Beitritt, der KSZE-Prozess und
die Zukunft Europas sowie die Krise im arabischen Raum.
1) Gespräch mit Premierminister Rocard
1.1. Integration
Rocard zeigte laut Äußerungen des Herrn Bundeskanzlers eine bemerkenswert
freundschaftliche Unterstützung für den österreichischen EG-Beitrittswunsch,
noch klarer ausgedrückt als in der Vergangenheit. Er sagte ferner zu, sich für eine
möglichst rasche Ausarbeitung der Avis10 einzusetzen.
1.2. K. S. Z. E.
Rocard: Frankreich habe keine Einwände gegen den Sitz des geplanten Zentrums
für Konfliktsverhütung11 in Wien.
1.3. Golf-Krise
Rocard betonte, man müsse alles tun, um eine bewaffnete Auseinandersetzung zu
vermeiden, auch wenn hiezu viele Monate Geduld notwendig seien. Rocard kam
von sich aus auf die Reise des Herrn Bundespräsidenten nach Irak12 zu sprechen
und erklärte, diese habe auf französischer Seite „Stirnrunzeln“ verursacht. Er ließ
sich vom HBK die tatsächlichen Umstände erklären.
10 Die Stellungnahme der Europäischen Kommission (Avis) erfolgte schließlich am 31. Juli 1991,
nachdem sich diese wegen der intensiveren Vorbereitungen zur Realisierung des Binnenmark-
tes und des Ratifikationsprozesses des Maastrichter Vertrages verzögert hatte.
11 So im Original. Dieser Satz wurde im BMAA an beiden Seitenrändern handschriftlich mar-
kiert. Der Sitz des OSZE-Sekretariats wurde in Wien angesiedelt, das Dokumentationszen-
trum in Prag.
12 Der spätestens seit der Kuwait-Invasion ab 2. August 1990 im Westen isolierte Saddam Hus-
sein, ließ im Jahr 1990 mehrere Geiseln aus westlichen Ländern nehmen, um so Besuche der
jeweiligen Regierungsvertreter zu erzwingen. Kamen sie in den Irak, durften sie zumeist die
Geiseln heimholen. Bundespräsident Kurt Waldheim, der auch in den Irak fuhr, um Hussein
zu besuchen und die österreichischen Geiseln wieder mitzunehmen, wurde u. a. dafür kri-
tisiert, sich für die politischen Ziele des irakischen Diktators instrumentalisieren zu lassen.
Die Vermittlungsversuche Waldheims zwischen der UNO und dem Irak scheiterten und im
Jänner wurde Kuwait militärisch durch die UNO befreit. Der Außenpolitische Bericht 1990
notierte: „Durch den Besuch von Bundespräsident Kurt Waldheim ist es Österreich als erstem
Staat gelungen, einem Großteil seiner ca. 140 Geiseln am 25. August 1990 en bloc die Ausreise
zu ermöglichen. Eine solche globale Befreiung konnten in der Folge noch Spanien, Frankreich,
Brasilien, Argentinien, Deutschland, Schweden und Neuseeland erreichen.“
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Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Title
- Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
- Subtitle
- Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Editor
- Michael Gehler
- Maximilian Graf
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35587-5
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 792
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Einleitung: Österreich und die deutsche Frage 1945–1990 7
- I. Vorbemerkungen 7
- II. Ausgangsbedingungen und Vorgeschichte: Von der „doppelten Staatsgründung“ zur Perpetuierung deutscher Zweistaatlichkeit (1949–1987) 11
- 1. Die Entwicklung bis zum Entscheidungs- und Zäsurjahr 1955 11
- 2. Gescheiterte Vermittlungsversuche (1958–1963) 19
- 3. Die Entwicklung bis zum Grundlagenvertrag 1972 23
- 4. Österreich, die europäische Integration und die Anerkennung der DDR im Zeichen der Entspannung (1961–1972) 28
- 5. Das Verhältnis Österreichs zu den beiden deutschen Staaten bis zum Bonn-Besuch Honeckers (1972–1987) 32
- III. Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 38
- 1. Österreich und die scheinbare Stabilität des SED-Regimes 38
- 2. Die Grenzöffnung im Kontext der Langzeitentwicklungen und ihre direkten Folgen 43
- 3. Österreichs Annäherungen an das gemeinschaftliche Europa, die Bundesrepublik und die deutsche Frage 50
- 4. „Mauerfall“ und „Wiedervereinigung“: Die Haltung Österreichs bis Ende 1989 63
- 5. Österreich und die deutsche Frage Anfang 1990 75
- 6. Der Einigungsprozess und seine internationale Durchsetzung aus österreichischer Sicht 86
- 7. Österreichs Abschied von der DDR 92
- 8. Österreich, die deutsche Einheit und der Weg nach Europa – Bilanz und Ausblick 95
- IV. Editorische Vorbemerkungen 99