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wenige Menschen groĂer internationaler Klasse, wir hĂ€tten einen neuen Mann
neben Bode, neben den Einsteins, neben Richard StrauĂâ78. Unter dem Pseu-
donym Rumpelstilzchen fordert der Journalist Adolf Stein in der Berliner TĂ€gli-
chen Rundschau, man mĂŒsse âHelden habenâ79; man lechze nach dem âBlute im
Ringâ80 und könne im Heute nicht ohne Helden leben. âDa sucht man sie halt
[âŠ] im Boxring.â 81 Das in Weltkrieg und Materialschlacht geopferte Wunsch-
bild gleichgeschalteter Bewegung von (militÀrischem) Körper und (chauvinisti-
schem) Geist findet im Boxen, jenem âWirklichkeitsrausch, in dem das einzelne
Ich völlig versinktâ82, seinen letzten Widerhall; auf der MentalitĂ€tslandkarte des
Boxens strömt Heterogenes zusammen und verleiht dem Weimarer Bewusst-
sein sein spezifisches GeprĂ€ge. âWie ungeheuerâ, staunt Kurt Pinthus, habe sich
âder BewuĂtseinskreis jedes einzelnenâ83 erweitert: âZusammengeballt in zwei
Jahrzehnten erlebten wir mehr als zwei Jahrtausende vor uns.â84 Und welches
âTrommelfeuer von bisher ungeahnten Ungeheuerlichkeitenâ85 auf die Nerven
niederprassle! Das Zeitalter der Zwischenkriegszeit weist keinen âgeschlos-
senen Horizontâ86 auf: âEs bildet vielmehr einen Mischraumâ87, in dem sich
Kraftmenschenkult und Krisenstimmung, Tatendurst und Fatalismus finden.
Die âmĂ€nnlich-heroische Auseinandersetzung mit der harten RealitĂ€tâ88 ver-
mengt sich mit einem fatalistischen âSich-Abfinden mit der âEntgötterung der
Weltââ89. Zerspaltung und Zerrissenheit finden sich in der Existenz des Men-
schen abgebildet, der, unter Preisgabe jeder Form introspektiver Psychologie, als
âBewegungsmaschineâ90 wahrgenommen wird. Erich Maria Remarque bringt
die âĂŒbertriebene Bejahung der Kultur der ĂuĂerlichkeitâ91 in seinem Roman
Im Westen nichts Neues auf den Punkt: âSo leben wir ein geschlossenes, hartes
Dasein Ă€uĂerster OberflĂ€che, und nur manchmal wirft ein Ereignis Funken.â92
Die Vorstellungen vom innengeleiteten Subjekt werden misstrauisch gemustert
78 Flechtheim 1926, S. 49; Wilhelm von Bode (1845â1929), deutscher Kunsthistoriker
79 Zit. n. Behrendt 1990, S. 85
80 Zit. n. ebd.
81 Zit. n. ebd.
82 Kasack 1983, S. 260
83 Pinthus 1965, S. 130
84 Ebd., S. 131
85 Ebd., S. 130
86 Lethen 1994, S. 49
87 Ebd.
88 Lindner 1994, S. 125
89 Ebd.
90 Lethen 1994, S. 10
91 Ebd., S. 32
92 Remarque 2007, S. 184 61
Haupt-ï»ż
undï»ż
NebenschauplĂ€tze:ï»ż
Epochensymptomï»ż
ï»ż |
FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Title
- FAUST UND GEIST
- Subtitle
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Author
- Wolfgang Paterno
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Size
- 16.1 x 25.5 cm
- Pages
- 446
- Keywords
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und KapitelĂŒberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: LĂŒckenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und NebenschauplÀtze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten ErzÀhlliteratur 160
- âZeitfigurâ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440