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Nach 1918
FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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ist, daß Tunney der Schlag trifft.“391 Das Ende eines Boxkampfs, kommentiert Roland Barthes passend in Die Welt, in der man catcht aus einiger zeitlicher Di- stanz, sei „trocken wie der Schlusspunkt eines Beweises.“392 Als ob es Ambi- valenz und Gegensätzlichkeit nicht gäbe, erstarrt das Bild vom Boxer zum pa- thetisch agierenden Poseur eines subversiv-schablonenhaften Heldentums. Der Krise des analytischen Geistes hält Boxen radikale Vereinfachung und heroische Klischees entgegen. Die Figur des Boxers erweist sich als Vexierbild: Der Boxer tritt auf als ein personifiziertes Phänomen unklarer Grenzziehungen zwischen Radikalindividualismus und Kollektivismus, Zirkusreife und Professionalismus, Modernität und Gegenmodernität, Technisierung und Naturalisierung, Sche- matismus und Impulsivität; als Kultfigur und Antibourgeois, Einzelgänger und Mitläufer, Idealtypus und Ikone des Rebellischen. Im Phantombild des Boxers scheint nicht zuletzt der Weimarer Widerspruch von demokratischen und an- tidemokratischen Prinzipien zusammenzugehen. Einerseits Regelbefolgung, Souveränität, Akzeptanz der Schiedsrichter-Instanz, Unterordnung unter das Trainingsprogramm; andererseits Macht-, Kraft-, Regierungsansprüche; Re- gellosigkeit. Der repetitive Charakter des Trainings und die wettkampfmäßige Erprobung der eingeschliffenen Verhaltensweisen wiederum sollen den Körper des Boxers zu einem Werkzeug des Willens formen; durch Training wappnen sich Boxer; sie versuchen, den Einbruch von Kontingenz in den Kampf abzu- wenden. Im Ring sehen sich die Athleten dann aber mit Situationen fern jeder Planbarkeit konfrontiert. Die Sportler versuchen qua Disziplinierungstechnik die Situation nach dem Gongschlag zu beherrschen: Erst die „Erwartungshal- tung in Hinblick auf einen unsicheren Ausgang“393 lässt Boxen zu einem der „faszinierendsten Zuschauersports der industriellen Epoche“394 werden. Der zeitgenössische Prominentenkult um die Boxer lenkt deshalb auch nur davon ab, dass die Sportler durchweg Wanderer sind zwischen bürgerlicher Werte- welt und Ganovenmilieu, Boxschauspielerei und Sportprofessionalismus – „An- rüchigem und Verbotenem“395 entkommen Boxer von Berufs wegen nicht. Die Wandlungsfähigkeit des Boxers macht es schwer, ihn als Typus eindeutig zu fixieren. Er tritt als halbnackter Erotiker und Exzentriker regulierter Gewalt auf; als Ästhet der Brutalität und Faustschläger mit reduzierter psychologischer Triebausstattung; als Mann der Halbwelt und Auskundschafter vitaler Grenz- bereiche, der die Konfrontation mit dem Tod nicht scheut; als ein Apologet der 391 Bronnen 1928, S. 141 392 Barthes 1986b, S. 45 393 Eichberg 1978, S. 86 394 Ebd. 395 Fleig 2008, S. 115 92 | Teil I. Zeitzeichen Boxen
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Title
FAUST UND GEIST
Subtitle
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Author
Wolfgang Paterno
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Size
16.1 x 25.5 cm
Pages
446
Keywords
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und KapitelĂĽberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: LĂĽckenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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