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FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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große Zahl literarischer Quellen vom Beginn des 20. Jahrhunderts ist sichtba- rer Beleg einer dichten reflexiven und alltagsgeschichtlichen Durchdringung mit den Werten, Begriffen und Diskursen aus der Welt des Boxens, diesem nach außen hin offenen Diskursraum ritualisierten Raufens mit gepolsterter Faust, vor Krachkulisse und Massenpublikum, im gleißenden Licht der Ringscheinwerfer. Auf den Bühnen tummeln sich schon kurz nach der Jahrhundertwende Kraft- kerle, die vom Boxen als einem symptomatischem, mit Signalcharakter ausstaf- fiertem Oberflächen- und Modephänomen der anbrechenden Moderne künden: Frank Wedekind lässt 1908 in dem Stück Oaha einen tugendhaften Verlagsbuch- händler das Faustfechten üben, wobei beinahe ein Nasenbein bricht; Ernst Toller verstrickt sein dramatisches Personal in Hoppla, wir leben in eine Diskussion, ob eine Boxveranstaltung besucht werden soll.4 Carl von Ossietzky lässt eine seiner Theaterkritiken in der Berliner Volks-Zeitung in der trockenen Feststel- lung kulminieren, dass jene Bühnenaktion, die am meisten physische Qualität bewiesen habe, mit beharrlichem Beifall bedacht worden sei: „Wir sind nicht umsonst Zeitgenossen Breitensträters.“5 In Arthur Schnitzlers Novelle Fräulein Else verfällt Else in zwiespältige Schwärmerei: „Der einäugige Amerikaner […] hat ausgesehen wie ein Boxkämpfer. Vielleicht hat ihn beim Boxen wer das Aug’ ausgeschlagen.“6 Hugo Bettauer nähert sich der jüngeren Historie 1922 im Ro- man Der Kampf um Wien satirisch mit den Mitteln des Boxens: „Hat nicht ganz Amerika durch einige Tage den Weltkrieg über den Kampf um die Weltmeister- schaft im Boxen vergessen gehabt?“7 In Romanen, Reportagen und Erzählungen findet sich Boxen bald in variierenden Schreibweisen ausgestellt; vier vornehm- liche Erscheinungsformen des literarisierten Boxens sind dabei auszumachen. Weitestgehend unhinterfragte Vorstellungen vom Boxen als schmückend-mo- disches Beiwerk finden sich als verstreute Spur. Boxen hält als extravagantes Phänomen in regionale Zeit- und Inflationsromane – wie in Felicitas Roses Die jungen Eulenrieds und Paul Kellers Drei Brüder suchen das Glück – Einzug, auch wenn der Breslauer Autor Keller das Boxen als Aktivität ausstellt, die jeder Stra- ßenprügelei zur Ehre gereichte8; die Erwähnung von Boxernamen und Ringge- plänkeln gehört in Tagebüchern und Erinnerungen an die Zeit zum guten Ton. Der Berliner Schriftsteller und Satiriker Alexander Moszkowski bemerkt 1925, dass jedes Kind die „Helden vom Knockout“9 kenne. Harry Graf Kessler notiert 4 Vgl. Wedekind 2003, S. 44; Toller 1980, S. 47 5 Ossietzky 1994, S. 543 6 Schnitzler 1980, S. 209 7 Bettauer 1980, S. 350 8 Vgl. Rose 1936, S. 142ff; Keller 1929, S. 93f 9 Moszkowski 1925, S. 223 114 | Teil II. Im Moderne-Labor
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Title
FAUST UND GEIST
Subtitle
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Author
Wolfgang Paterno
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Size
16.1 x 25.5 cm
Pages
446
Keywords
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und KapitelĂĽberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: LĂĽckenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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