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Nach 1918
FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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sich endlich in drastischer satirischer Verzerrung. Das Hochamt des Sports neigt sich seinem Ende zu. Trivialliteratur stilisiert Boxen zu einem Anker- punkt modischer Sportkultur, bereitgestellt fĂŒr ein Publikum, das mit „WĂŒn- schen nach Ă€ußerlichen Sensationen geheizt“6 sei, wie Egon Erwin Kisch im Feuilleton Elliptische TretmĂŒhle beobachtet. Die AnsprĂŒche einer Literatur, die sich in differenziert-distanzierter Perspektive dem Boxen nĂ€hert, gehen darĂŒber deutlich hinaus. Boxen als GesamtphĂ€nomen wird in Reportagen, ErzĂ€hlungen und Feuilletons einer Neubewertung unterworfen, indem der Sport, vertiefend und grundlegend, an eine Vielfalt von Diskursen gekoppelt wird. Joseph Roth, Anton Kuh, Franz Blei, Erich KĂ€stner und Ernst Krenek zeichnen ein subtileres Bild des Boxens; Kurt Schwitters, Klabund, Heinrich Mann, Leonhard Frank, Joseph Breitbach und Joachim Ringelnatz beurteilen das ModernephĂ€nomen differenzierter. Als distanzierte Beobachter nĂ€hern sich diese Autoren dem Boxen in kritischer ErzĂ€hlhaltung; zu Demaskierungszwecken gleitet der Tat- sachensinn des institutionalisierten Vermöbelns dabei ins ĂŒbersteigert Fiktive hinĂŒber, ins BĂŒhnengerechte, ins Derb-Humoristische, wie in Mischformen des ImaginĂ€r-Realen, fern affirmativer Strategien, mit denen die SpektakeltrĂ€ch- tigkeit des Boxens auf Umwegen sanktioniert werden könnte. Gottfried Benn bezieht 1926 das Bildfeld Boxen in das Gedicht Summa summarum ein, in dem er vorrechnet, wie viel er mit dem Schreiben verdient habe, nĂ€mlich beschĂ€mend wenig: „Gedicht ist die unbesoldete Arbeit des Geistes, der fond perdu, eine Art Aktion am Sandsack: einseitig, ergebnislos und ohne Partner –: evoĂ«!“7 Jetzt wird mit Boxen abgerechnet. Zuvor jedoch markieren die Romane von Leonhard Frank und Joseph Breit- bach beispielhaft den Eintritt des Boxens in die ,hohe‘ Literatur; sowohl Frank als auch Breitbach binden den Sport an einen spezifischen historischen Mo- ment: Franks Das Ochsenfurter MĂ€nnerquartett dokumentiert die Entwicklung des Boxens von der kombattanten GassenschlĂ€gerei zum publikumswirksamen Massenspektakel; Breitbachs Die Wandlung der Susanne Dasseldorf fokussiert auf den Beginn der Institutionalisierung des Boxens als Teil urbanen AmĂŒsements. Beide Autoren erproben ihr Thema fernab urbaner Zentren und – wenigstens in Das Ochsenfurter MĂ€nnerquartett – als Nebenaspekt der RomanerzĂ€hlung; in Das Ochsenfurter MĂ€nnerquartett und Die Wandlung der Susanne Dasseldorf wer- den aber nicht bloß Fakten zum Boxen ausgestellt – der Sport wird in erwei- terten ZusammenhĂ€ngen sichtbar gemacht; der in der Trivialliteratur diskursiv wenig aussagekrĂ€ftige Topos des Boxens wird hier an kulturelle, soziale und ökonomische Diskurs- und Praxisfelder gebunden. In Franks Roman erscheint 6 Kisch 1993b, S. 229f 7 Benn 2006, S. 257 161 Box-Demontage:ï»ż Faustkampfï»ż inï»ż derï»ż elaboriertenï»ż ErzĂ€hlliteraturï»ż |
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Title
FAUST UND GEIST
Subtitle
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Author
Wolfgang Paterno
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Size
16.1 x 25.5 cm
Pages
446
Keywords
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und KapitelĂŒberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: LĂŒckenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und NebenschauplÀtze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten ErzÀhlliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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