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FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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sich endlich in drastischer satirischer Verzerrung. Das Hochamt des Sports neigt sich seinem Ende zu. Trivialliteratur stilisiert Boxen zu einem Anker- punkt modischer Sportkultur, bereitgestellt für ein Publikum, das mit „Wün- schen nach äußerlichen Sensationen geheizt“6 sei, wie Egon Erwin Kisch im Feuilleton Elliptische Tretmühle beobachtet. Die Ansprüche einer Literatur, die sich in differenziert-distanzierter Perspektive dem Boxen nähert, gehen darüber deutlich hinaus. Boxen als Gesamtphänomen wird in Reportagen, Erzählungen und Feuilletons einer Neubewertung unterworfen, indem der Sport, vertiefend und grundlegend, an eine Vielfalt von Diskursen gekoppelt wird. Joseph Roth, Anton Kuh, Franz Blei, Erich Kästner und Ernst Krenek zeichnen ein subtileres Bild des Boxens; Kurt Schwitters, Klabund, Heinrich Mann, Leonhard Frank, Joseph Breitbach und Joachim Ringelnatz beurteilen das Modernephänomen differenzierter. Als distanzierte Beobachter nähern sich diese Autoren dem Boxen in kritischer Erzählhaltung; zu Demaskierungszwecken gleitet der Tat- sachensinn des institutionalisierten Vermöbelns dabei ins übersteigert Fiktive hinüber, ins Bühnengerechte, ins Derb-Humoristische, wie in Mischformen des Imaginär-Realen, fern affirmativer Strategien, mit denen die Spektakelträch- tigkeit des Boxens auf Umwegen sanktioniert werden könnte. Gottfried Benn bezieht 1926 das Bildfeld Boxen in das Gedicht Summa summarum ein, in dem er vorrechnet, wie viel er mit dem Schreiben verdient habe, nämlich beschämend wenig: „Gedicht ist die unbesoldete Arbeit des Geistes, der fond perdu, eine Art Aktion am Sandsack: einseitig, ergebnislos und ohne Partner –: evoë!“7 Jetzt wird mit Boxen abgerechnet. Zuvor jedoch markieren die Romane von Leonhard Frank und Joseph Breit- bach beispielhaft den Eintritt des Boxens in die ,hohe‘ Literatur; sowohl Frank als auch Breitbach binden den Sport an einen spezifischen historischen Mo- ment: Franks Das Ochsenfurter Männerquartett dokumentiert die Entwicklung des Boxens von der kombattanten Gassenschlägerei zum publikumswirksamen Massenspektakel; Breitbachs Die Wandlung der Susanne Dasseldorf fokussiert auf den Beginn der Institutionalisierung des Boxens als Teil urbanen Amüsements. Beide Autoren erproben ihr Thema fernab urbaner Zentren und – wenigstens in Das Ochsenfurter Männerquartett – als Nebenaspekt der Romanerzählung; in Das Ochsenfurter Männerquartett und Die Wandlung der Susanne Dasseldorf wer- den aber nicht bloß Fakten zum Boxen ausgestellt – der Sport wird in erwei- terten Zusammenhängen sichtbar gemacht; der in der Trivialliteratur diskursiv wenig aussagekräftige Topos des Boxens wird hier an kulturelle, soziale und ökonomische Diskurs- und Praxisfelder gebunden. In Franks Roman erscheint 6 Kisch 1993b, S. 229f 7 Benn 2006, S. 257 161 Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur |
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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