Seite - 118 - in FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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Der Boxkampf ist das Höchste.
Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman
Boxer hinterlassen deutliche Spuren im zeitgenössischen Trivialroman. Das
Genre präsentiert ein „Panoptikum moderner Körperideale“1 und berichtet von
dem „Sport nicht essayistisch-ernst, sondern narrativ-unterhaltsam“2. Kai Mar-
cel Sicks hat in Stadionromanzen weiter festgestellt, dass in den fiktionalen Pro-
sastücken oft Einzelfiguren in den Mittelpunkt des Geschehens gerückt seien:
„Das Romangeschehen ist so vollständig im Protagonisten zentriert.“3 Die
Sportromane, die durchweg ein positives Bild ihres Sujets zeichnen4, themati-
sieren zugleich die drohenden Ängste vor Autonomieverlust und individueller
Handlungsohnmacht; sie exemplifizieren – erzählerisch zwar angestoßen, aber
in psychologisch rudimentär konstruierte und außerhalb des Diskursgesche-
hens positionierte Protagonisten verlegt – das Ringen der Athletenfiguren um
die Wiedergewinnung und Beibehaltung von Konzentration, Willenskraft und
Selbstkontrolle.5 Die im Sportroman speziell akzentuierten Handlungsverläufe
und Figurenzeichnungen dienen besonders der boxtrivialen Rede als Vorlage;
zum Vorstellungsrepertoire über das Boxen zählen neben Heroen-Individualis-
mus zentral Sieg und Niederlage. Kai Marcel Sicks schreibt in Stadionromanzen:
Im Sportroman lesen wir von großen Siegern und großen Niederlagen; von Athle-
ten, die ihren Platz im Leben finden, und von solchen, die jeden Halt verlieren;
von
Charakteren, die durch den Sport reifen, und von solchen, deren Unreife im Sport
erst ansichtig wird, von umjubelter Berühmtheit und plötzlicher Einsamkeit; von
den Annehmlichkeiten des Reichtums und den Gefährdungen, die er mit sich
bringt; von den Wonnen der Liebe und den Schmerzen, die sie verursacht.6
Hinter den gattungstypologischen Konstellationen des Genres Boxerroman las-
sen sich noch weitere Aspekte wahrnehmen. Die Autorinnen und Autoren the-
matisieren das Boxen weitestgehend losgelöst von sozialen und politischen Rela-
1 Sicks 2006, S. 156
2 Ebd., S. 9
3 Vgl. ebd., S. 37
4 Vgl. ebd., S. 40
5 Vgl. ebd., S. 80; zum Willen als einem zeittypischen Signum von Selbstständigkeit, Selbstver-
antwortung und intrinsischer Motivation vgl. ebd., S. 21, 66ff u.103
6 Sicks 2006, S. 50
118 | Teil
II.
Im
Moderne-Labor
FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Titel
- FAUST UND GEIST
- Untertitel
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Autor
- Wolfgang Paterno
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Abmessungen
- 16.1 x 25.5 cm
- Seiten
- 446
- Schlagwörter
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440