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Der Zeitgeist streckt den Bizeps.
TEIL II. IM MODERNE-LABOR
Ringfeldsichtung: Boxen in der Literatur der zwanziger Jahre
In der umfassenden Literatur, die in der Zwischenkriegszeit als manifeste
Reaktion und Reflexion auf den Boxsportboom entsteht, lassen sich gewisse
Konstanten und bevorzugte Motive, weit verbreitete Metaphern und wiederkeh-
rende narrative Strategien, bestimmte Topoi und signifikante Details sammeln:
Körper- und Körperkraftmetaphern; Erzählformationen und -perspektiven; An-
spielungen auf Realien; Authentizitäts- und Fiktionssignale sowie das Boxen
affirmativ als auch kritisch flankierende Motivreihen. Den interpretatorischen
Schienen, die damit gelegt sind, wird hier aber nicht weiter gefolgt. Der textana-
lytische Abschnitt will einen Beitrag zu den diskursiven Semantiken jener Texte
leisten, die Boxen mit Körper-, Psychotechnik- und Performanz-Konzepten so-
wie zeitdiagnostischen Signaturen verbinden, um so spezifische Merkmale der
gesellschaftlichen und kulturellen Moderne mit Hilfe des Boxens zu (er)klären,
zuweilen, wie bei Robert Musil, bis ins Grundsätzliche hinein. Es ist der Ver-
such, die diskursiven und praktischen Spiegel- und Vorstellungsbilder, die dieser
Sport wirft, Schritt für Schritt zu durchmustern. Als komplexe Konstellation
prägt Boxen spezifische soziale und politische Kontexte; es gibt die „Matrix für
ein Dispositiv“1 ab.
Boxliterarische Propagierungen – weniger Problematisierungen – zirkulieren
zu Beginn des 20. Jahrhunderts in hohem Ausmaß; die verstärkte Nachfrage
setzt eine bemerkenswerte schriftstellerische Produktivität und Produktion
frei; als Teil der Deutungskultur von Zeitabschnitt und Mentalitätserkundung
wird Boxen von zahlreichen Intellektuellen mit offenen Armen aufgenommen2:
Boxen schreie „nach einem Dichter!“3, fordert Joseph Roth im Feuilleton Der
Boxer in ironischer Brechung. Schriftsteller, Publizisten, Reklamemacher, Tage-
buchschreiber und Dramatiker wenden sich, in je unterschiedlichen Tonlagen,
Attitüden, Absichten und Intensitäten, der Literarisierung des Boxens zu. Die
1 Foucault 1978, S. 120
2 Vgl. Fleig 2008, S. 97
3 Roth 1989, S. 144
FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Titel
- FAUST UND GEIST
- Untertitel
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Autor
- Wolfgang Paterno
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Abmessungen
- 16.1 x 25.5 cm
- Seiten
- 446
- Schlagwörter
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440