Seite - 45 - in FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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Es schreit nach einem Dichter!
Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage
Der Befund, Boxen habe die Epoche zwischen den Weltkriegen mitgeprägt,
findet sich in vereinzelten Zusammenfassungen über die Zeit der Weimarer
Republik.1 Abgesehen von einer geringen Zahl gendertheoretisch und dis-
kursanalytisch basierter Studien, liegen aber noch immer wenige weiterfüh-
rende boxspezifische Analysen des vorgeschlagenen Zeitrahmens vor.2 Die
geringe analytische Behandlung des Boxens durch die Kulturwissenschaft
überrascht umso mehr, wenn man von fast 400 boxliterarischen Theaterstücken,
Romanen und Erzählungen in den verschiedenen Nationalliteraturen ausgeht.3
Die Konjunktur eines interdisziplinären Herangehens an den Gegenstand des
literarisierten Boxens lässt indes auf sich warten; der kulturkritischen Diagnos-
tik scheint Boxen nach wie vor eine Trivialsensation in exotischem Ambiente
zu sein. Immerhin weckt der Musterkoffer boxhistorischer Sozialgeschichte seit
Mitte der 1930er-Jahre das Interesse der Forschung: Maria Kloeren schlüsselt
1935 die geschichtliche Dimension des Boxsports im England des 17. und 18.
Jahrhunderts nach systematischen Gesichtspunkten auf und nennt als maßgeb-
lichen Grund für die „eruptive Entwicklung“4 des Boxens im städtischen Raum
die massenhafte Austragung der Kämpfe vor proletarischem Publikum, wäh-
rend die Wettbewerbssportart für die herrschende Oberschicht ein probates
Mittel zur Streitschlichtung ist.5 Ebenfalls 1935 publiziert Herbert Schöffler
eine kultursoziologische England-Untersuchung mit Schwerpunkt Boxen und
ähnlichem Befund.6 Henning Eichberg fächert 1973 die eng mit Boxen in Be-
ziehung stehendenden Komplexe Technik, Körper und Sport sozialgeschicht-
lich auf7; Norbert Elias fragt 1982 in Die Genese des Sports als soziologisches Pro-
blem nach den körperkulturellen und gesellschaftspolitischen Funktionen von
1 Frevert 1990, S. 108f; Berg et al. 1981, S. 224f; Mackenzie 2005, S. 333f
2 Vgl. Becker 1993; Behrendt 1990; Eisenberg 1999; Fischer 1999a; Fischer 1999; Fleig 2008;
Haerdle 2003; Junghanns 1998; Junghanns 2001; Junghanns 2005; Kreutzer 1970; Leis 2000;
Müller 2004; Paczesny 1984; Rase 2003; Rothe 1981; Sicks 2004; Sicks 2006
3 Vgl. Fischer 2001, S. 98; Wolfgang Rothe listet eine „Handvoll Dichtungen“ (Rothe 1981, S.
136); Manfred Luckas zählt 150 Romane und Erzählungen (vgl. Krauß 2007)
4 Kloeren 1935, S. 34
5 Vgl. ebd., S. 60–87
6 Vgl. Schöffler 1935, S. 28 u. 42
7 Vgl. Eichberg 1979, S. 94–108; Eichberg 1978, S. 80ff
FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Titel
- FAUST UND GEIST
- Untertitel
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Autor
- Wolfgang Paterno
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Abmessungen
- 16.1 x 25.5 cm
- Seiten
- 446
- Schlagwörter
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440