Seite - 21 - in FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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Willst mit mir a die ganze Nacht boxen?
Ich kann aus an Poeten ka Raubtier machen.
Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie
Bevor Kapitelüberblick, zeitliche Rahmung und Quellenumgrenzung detailliert
dargelegt werden, scheint ein Umweg erforderlich, der auf jene Graubereiche
boxliterarischer Historisierung hinweisen soll, die das Bild vom Boxen generell
prägen. Wer Boxen zu einem Gegenstand des Nachdenkens macht, kann leicht
in die Falle vorschneller Popularisierung tappen: Skepsis gegenüber dem Boxen
ist angebracht, auch für alle folgenden Seiten.
2007 erscheint in einem Darmstädter Verlag erstmals das Reisehandbuch
Berlin – ein literarischer Reiseführer, in dem sich auch das Gedicht Ein Boxer im
Adlon von Erich Mühsam findet:
Seht, Max Schmeling steigt triumphbegleitet
Aus dem D-Zug, brausend angehocht.
Heil dem Helden, der in den United
States des Meisters stolzen Ruhm erfocht!
Wuchtig landet’ er die deutsche Pratze
Selbst in Riskos Kinn, Gedärm und Fratze. […]
Die Behörden und die Sportverbände,
Reichsregierung, Preußen wie Berlin
Schütteln freudig Schmelings starke Hände
Und bewirten reich bei „Adlon“ ihn.
Schmeling nämlich zählt zu Deutschlands Rettern.
Denn er kann ein Nasenbein zerschmettern.1
Das erstmals 1929 publizierte Gedicht Mühsams findet sich in dem Band in
verstümmelter Form und unter falschem Titel publiziert; die tourismusaffine
Publikation verweist mustergültig auf die Nachlässigkeiten im Umgang mit dem
literarisierten Boxen. Ein Boxer im Adlon dient der Darlegung boxerischer („ein
Nasenbein zerschmettern“) und nationalistischer Stärke („die deutsche Pratze“),
anspielend auf Schmelings Boxkämpfe in den USA anno 1929, im Speziellen
auf jenen gegen einen Boxer namens Johnny Risko, den Schmeling Anfang
Februar des Jahres im New Yorker Madison Square Garden mürbe boxt: Der
1 Mühsam 2007, S. 107 (Hervorh. im Orig.)
FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Titel
- FAUST UND GEIST
- Untertitel
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Autor
- Wolfgang Paterno
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Abmessungen
- 16.1 x 25.5 cm
- Seiten
- 446
- Schlagwörter
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440