Seite - 389 - in FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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ZUSAMMENFASSUNG
In den Dekaden zwischen den Weltkriegen avanciert Boxen in den urbanen
Zentren Deutschlands, Frankreichs und der USA zu einem integralen Bestand-
teil im Funkenregen der neu sich formierenden Freizeit- und Unterhaltungskul-
turen. Boxen bewegt die Massen: In keinem Abschnitt seiner bis in die Antike
zurückreichenden Geschichte hat der Sport wohl mehr Menschen um das Ring-
podium versammelt als in den 1920er- und 1930er-Jahren; die ikonografischen
Fotos von populären Kämpfen in Deutschland und den USA zeigen Boxsport-
podien, verschwindend kleine quadratische Inseln in Weiß, umgeben von einem
Meer an Zuschauern. Dazu haben unterschiedliche Voraussetzungen beigetra-
gen. Die sprunghaft angestiegene Beliebtheit des Boxens mag auch darin be-
gründet sein, dass dieser Sport keines besonderen Beobachterscharfsinns bedarf:
Boxen als sportives Gesellschaftsspiel, dessen Wahrnehmung leicht dechiffrier-
bar scheint. Boxen habe, schreiben Elisabeth Büttner und Christian Dewald auf
das zeitgenössische frühe Kino bezogen, einen großen Anteil an der Populari-
sierung des Sports in der Zeit der Weimarer Republik, Boxen sei „einfach: Einer
gewinnt und einer verliert.“1 Den Ambiguitäten und Ambivalenzen der Weima-
rer Gegenwartsphysiognomie wird der boxerische Komment – der räumlich und
zeitlich determinierte Kampf zweier Kontrahenten in derselben Gewichtsklasse
unter festgelegten Regeln und Rahmenbedingungen – gegenübergestellt. Auf
den ersten Blick agieren die Sportler im Boxring aber auch auf einem weiten
Feld diskursiver Kollisionen und Mehrfachkonnotationen. Boxen gleicht einem
Gewebe aus Heroentum und Trainingskalkül, Megalomanie und Massenkultur,
Wettkampf und Showstück; der Boxring dient als bevorzugte Bühne sportiver
Heldennarrative; Abertausende finden sich in den Rängen der Stadien ein, um
Zeuge zu werden, wie Boxer die existenziellen Erfahrungsmöglichkeiten des
Extrems austesten. Die Praxisfelder Körper und Kampf sind dabei augenfällig
im Bild vom Boxen aufgehoben; das vollständige Programm des Faustkampfs
findet sich offen zutage liegend wie von der Weimarer Gegenwart verdeckt –
die zu Beginn dieser Untersuchung diskutierten Haupt- und Nebenschauplätze
des Boxens geben darüber Auskunft. Im Boxen sind Dispositionen auszuma-
chen, die auf angrenzende politisch-soziale Praxis- und Theoriefelder verwei-
sen – Ausdauer, Kampfgeist, Technik, Kraft, Körperbeherrschung, psychophysi-
1 Büttner, Dewald 1992, S. 225
FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Titel
- FAUST UND GEIST
- Untertitel
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Autor
- Wolfgang Paterno
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Abmessungen
- 16.1 x 25.5 cm
- Seiten
- 446
- Schlagwörter
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440