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Nach 1918
FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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In der elaborierteren Literatur finden in der „Gegenüberstellung von Boxern und Kopfarbeitern“115 letztlich auch kühne Um- und Entwertungsversuche der Sportler-Glorifizierung statt. Der Körper wie das Denken des Körperlichen, so ließe sich argumentieren, sind nicht mehr in den Griff zu bekommen – dem Versagen des Körperlichen wird eine Subjektkonzeption gegenübergestellt, die den Boxer als historisches Individuum zeigt, das in einem Geflecht von Macht- technologien, diskursiven sowie institutionellen Praktiken und, wie nachfolgend gezeigt werden wird, von den Sportlern nicht mehr ausdeutbaren Zeichen- systemen steckt. Das ,Geistige‘ im Sport wird als bloße kulturelle Setzung ent- larvt, die Subjektivität des Boxers bildet sich jenseits der körperlichen Dimension in fataler Ausprägung ab: Die Betonung der geistigen Dimensionen des Diskur- siven schlägt in die skeptische bis negative Anthropologie des Boxens um; die kritische Registratur des Sports ergibt gegenläufige Bilder: Die dem Boxer ei- gene Angriffslust wendet sich gegen den Athleten; dem Kraftkerl und seiner fast ubiquitären Präsenz, die im Repräsentativen ihre eigentliche Bestimmung fin- det, wird buchstäblich zu Leibe gerückt. Es werden entlarvende Psychogramme entworfen, die dem heroisierten Bild des Boxers diametral entgegenlaufen; die kritische Bestandsaufnahme schlägt sich in Negativbildern und dem Vorhaben nieder, stereotype Rollenzuschreibungen zu konterkarieren. Der Faustkämpfer wird als Figur in einer Farce erkannt, die es zu durchkreuzen gilt: Der demons- trative Dauerelan des Boxers, der sinnbildhaft für Kampfgeist, Körperschönheit und Körperstärke steht, wird mit der psychisch-affektiven Grobschlächtigkeit des Athleten gegengeschnitten; mit Neugier und Interesse bewegen sich die Au- toren auf der Terra incognita des Kräftegeschehens im seelisch-geistigen Bereich – und dringen dabei in Bezirke abseits der biologisch-körperlichen Verfasstheit vor, also fern jener Bewegungssystematiken, Fitness- und Körperideologien, die in die Egos der Boxer scheinbar einprogrammiert sind. Den trivialliterarischen Schriften, die mit Hilfe eines boxgenretypischen Wortnebels eine Rhetorik des äußeren Scheins in Gang zu halten suchen, wird die phänomenologisch gemischte Darstellungsweise des Leibseelischen entgegengehalten: Kraft und Körpergeschick sind wesentliche Attribute des Boxens – konfrontiert mit dem Phänomen der geistig-seelischen Beinahe-Leere erstarrt der Boxer aber zur leb- losen Statue, zu einem strohdummen Mechaniker der Tat, der die mit Boxen offen in Verbindung gesetzte Aussicht auf sozialen Aufstieg und Daseinsglück ad absurdum und zu einer reinen Glücksverheißung erklärt. Erik N. Jensen hält dazu in Body by Weimar fest, dass der Aufstieg der Boxerfigur 115 Schaper 2006a, S. 96 178 | Teil II. Im Moderne-Labor
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Title
FAUST UND GEIST
Subtitle
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Author
Wolfgang Paterno
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Size
16.1 x 25.5 cm
Pages
446
Keywords
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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