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Nach 1918
FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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Der Journalist:  Was kennen Sie von moderner Kunst? Ochsenschwanz:  Götz von Berlichingen. Der Journalist:  Und von Philosophie? Ochsenschwanz: Nix. Der Journalist:  Er meint Nietzsche! Der Übermensch, der Übermensch ist da!127 SelbstĂ€sthetisierung und Selbstverherrlichung verkehren sich in deren Ge- genteil. Der vor Kraft und WillensstĂ€rke strotzende Boxer erweist sich als von Dummheit und Ahnungslosigkeit geschlagen. „Von den herrlichsten Geistern der Menschheit“128, notiert der Reporter: „eine gerade Linie von Kant ĂŒber Nietzsche bis Ochsenschwanz“129. Die kritisch reflektierende Literatur lĂ€sst sich nicht (mehr) tĂ€uschen.130 In skeptisch-ironischer Tonlage werden die Bor- niertheit und BeschrĂ€nktheit des Sportlers, der sich als tumber Knochenbre- cher erweist, ins Zentrum gerĂŒckt. Beethoven stuft Ochsenschwanz zum „Di- lettanten“ herab und rĂŒhmt sich zugleich der Bekanntschaft der prominenten Boxer Dempsey und Paolino Uzcudun.131 Die Distanz und das Desinteresse Ochsenschwanz’ zu und an klassischer bĂŒrgerlicher Bildung werden von Krenek deutlich ins Polemische gewendet und dialektisch ĂŒberhöht; der Fragesteller 127 Ebd., S. 175f (Hervorh. im Orig.) 128 Ebd., S. 176 129 Ebd. 130 In der ErzĂ€hlung Der Boxkampf von Gabriele Wohmann liefern sich zwei „Sprechboxer“ (Woh- mann 1972, S. 5) einen rhetorischen Schlagabtausch; in Nicolas Borns Text Der Boxkampf for- dern sich Ludmilla und Otto: „Wir schlagen uns ineinander, werden ein Fleisch, wĂ€lzen uns, wedeln, schlenkern die Körper.“ (Born 1983, S. 56) Volker Braun erzĂ€hlt im Gedicht Der Fight des Jahrhunderts einen legendĂ€ren Boxkampf mit dem Mittel der Wortneuschöpfung: Joe Frazier „porscht vorwĂ€rts“ (Braun 1978, S. 77), Muhammad Alis (hier noch: Cassius Clay) Reaktion: „Rabaumeln im Infight“ (ebd.). Matthias Altenburg beschreibt im Roman Landschaft mit Wölfen den Beginn eines Kampfabends: „Der Gong, den sie hier verwenden, klingt wie ein kaputter Topfdeckel.“ (Altenburg 1997, S. 108) Herbert Asmodi portrĂ€tiert im Gedicht Beschreibung eines KĂ€mpfers einen Boxer im Ausgedinge: „Schau dich an. Schau wie du aussiehst. / Dein Gesicht hat man dir abgeprĂŒgelt. / Deine Augen sind ruiniert. / Dein Mund ist zur Grimasse zerhaut.“ (Asmodi 1975, S. 75) GĂŒnter Kunert ĂŒberschreibt eines seiner Gedichte mit Alter Boxer (Kunert 2001, S. 86), und Jörg Fauser lĂ€sst in Box-Abend zwei „von keinem Stern erleuch- tete MĂ€nner“ (Fauser 2009, S. 142) im Ring aufeinanderprallen; in Ring Lardners ErzĂ€hlung Champion ist ein Boxer bereits 1924 „so brav und anspruchslos wie ein SchulmĂ€del“ (Lardner 1982, S. 89); in Franz Mittlers Gedicht Der erste Sportbericht schlĂ€gt Abel seinen Bruder Kain knockout (vgl. Mittler 1969, S. 66); Yukio Mishima schwĂ€rmt in Der Sport und ich ĂŒbertrieben von der „Reinheit dieser Göttin“ (Mishima 1993, S. 263) Boxen, wĂ€hrend Dieter Wellershoff im Dramatext Anni Nabels Boxschau einen Boxer so anpreisen lĂ€sst: „,Anton, der schwarze Mann, stammt direkt vom Affen ab.‘“ (Wellershoff 1962, S. 56) 131 Vgl. Junghanns 1997, S. 132; Hollaender 1927, S. 284 181 Box-Demontage:ï»ż Faustkampfï»ż inï»ż derï»ż elaboriertenï»ż ErzĂ€hlliteraturï»ż |
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Title
FAUST UND GEIST
Subtitle
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Author
Wolfgang Paterno
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Size
16.1 x 25.5 cm
Pages
446
Keywords
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und KapitelĂŒberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: LĂŒckenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und NebenschauplÀtze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten ErzÀhlliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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