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Nach 1918
FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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Breitensträter nimmt keine Gegner, sondern Rhetorik und Sprache in die Man- gel. Roth bleibt das Dokumentieren des boxkampfähnlichen Zusammenspiels von Sport, Sprache und Aberwitz: Er spricht mit der echten Verachtung des Muskelmenschen für den eigenen Vor- trag. Er liest aus einem Manuskript. Lange Perioden zerhackt er mit akustischen knock-outs in kurze Sätze. Manchmal trifft ein Bauchstoß ein Prädikat. Es fliegt weit fort und findet sich erst nach einer langen Pause wieder. Es ist, als wäre es am Boden gelegen und bis „acht“ wenigstens ausgezählt worden. Bemerkens- wert sind charakteristische Ausdrücke und Ausdrucksformen. Breitensträter sagt „Enertschie“, also durch Konsonantenhäufung die einfache Energie potenzierend. Manchmal erzählt er im praesens historicum:  „Ich habe eine Gehirnerschütterung und werde ausgezählt“;  oder „ein Schlag zertrümmert ihm das Nasenbein“. Dann folgt ein Geständnis und ein Hymnus auf Blut. Der Meister erzählt, daß die Nacktheit des Gegners und der Anblick feindlichen Bluts den Kämpfer in einen prachtvollen Taumel geraten lassen. Hierauf erfährt man, daß „kalte Abreibungen den Geist stählen“. Der getragenen Weise des ganzen Abends folgend, sagt Brei- tensträter:  „Wenn ich in Berlin weile, mache ich Laufübungen durch den Tiergar- ten“ und „bald darauf geht es in die Klappe“. Gelegentlich kommt noch ein Aperçu (nicht mit „upper-cut“ zu verwechseln) und dieses lautet:  „Manche Ballettratte ist gegen uns ein Waisenkind“ […] Somit ist der theoretische Teil dieses Abends beendigt, Breitensträter legt seinen Smoking ab und setzt an einem entkleideten Partner im Boxerdreß praktisch fort, was er an der Syntax begonnen.163 Roth bringt es freilich auch fertig, mittels veränderter erzählerischer Perspektive die boxsportliche Verblendung eines frenetischen Publikums zu enthüllen, das einzig Sportleistung einfordert – und keinesfalls irgendwie geartete Kulturhand- lungen. Jack Dempsey ist in Der Meister im Museum auf Kurzbesuch in Berlin.164 Welches sportliche Hochamt er dabei zelebrieren wird? „Den Journalisten teilte ein Sekretar mit, daß Dempsey drei Tage in Berlin bleibt, um die Museen zu besichtigen“165, unterläuft Roth wie stets jede Erwartungshaltung: „Und dieses war die größte Enttäuschung des Tages. Was? Museen wollte er besichtigen? Museen?“166 Was zählt, ist das Sprechen in sportlichen Superlativen: 163 Ebd., S. 56 (Hervorh. im Orig.) 164 Vgl. Roth 1989d, S. 805f 165 Roth 1989d, S. 806 166 Ebd. 187 Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur |
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Title
FAUST UND GEIST
Subtitle
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Author
Wolfgang Paterno
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Size
16.1 x 25.5 cm
Pages
446
Keywords
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und KapitelĂĽberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: LĂĽckenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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