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Nach 1918
FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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glĂŒcklich sein zu wollen. Ziele als unerreichbar erkennen und sich MĂŒhsal der Wege zu ihnen ersparen: das ist aller praktischen Weisheit A und O.215 Boxen berĂŒhrt in weitestem Sinne die Aporien zeitgenössischer Lebensmodelle, indem der Sport vorgibt, durch Trainingsfleiß und Selbstdisziplin die Komple- xitĂ€t und Kontingenz des Daseins kontrollieren und organisieren zu können. Die Texte der forcierten Literatur tendieren jedoch in diesem Fall zu Nivel- lierung und Negation. Die trivialidealistische, von der Hoffnung auf Verbes- serung des LebensglĂŒcks getragene Vorstellung vom Boxen wird der Entglo- rifizierung und der nĂŒchternen Bestandsaufnahme unterzogen. Boxen verliert als Imperativ an Bedeutung, der im Dasein des einzelnen Individuums – wie in der Trivialliteratur – deutliche Spuren hinterlĂ€sst. „Oder die Talentsucher kommen durch ein Dorf und haben im Wirtshaus Gelegenheit, einer netten harmlosen PrĂŒgelei zwischen HolzfĂ€llern beizuwohnen“216, lĂ€sst Erich KĂ€stner in Boxer unter sich die angehende Boxkarriere eines Jungen marginal und zufĂ€llig erscheinen. „Und da sehen sie, wie ein junger Bursche dem Gegner die ZĂ€hne vierteldutzendweise aus dem Mund schlĂ€gt.“217 Der Lebensweg des rekrutierten Boxers ist dann nur mehr Ergebnis schneller narrativer Schnittfolgen: „Eilends wird der gutmĂŒtige Junge in ein Auto gepackt; und ein Jahr spĂ€ter fĂ€hrt er im Luxusdampfer nach Amerika, um gegen die kitzligsten Schwergewichtler zu boxen.“218 Nach einem Handgemenge unter Kolportagejungen, das in einen „regelrechten Boxkampf“219 ausartet, wird Joseph in Klabunds Der Boxer von einem Talentsucher angesprochen – einem eleganten Herrn mit „Zylinder und weißen Handschuhen“220, der vom Autor akkurat entworfenen Karikatur eines Talentsuchers. Dieser zĂŒckt, einem ĂŒberdrehten Zauberer gleich, seinen Hut, begleitet von der Frage: „Haben Sie Lust, Boxer zu werden? Ich lasse sie [sic] ausbilden.“221 Die Antwort des Jungen folgt ohne Spurenelement von Schick- salsschwere: „Ich ließ meine Zeitungen am Boden liegen, sagte ‚All right‘ und ging mit ihm.“222 Als Boxer fordert Joseph dann die Konkurrenz in Gestalt von „BreitenstrĂ€tter und Naujocks“223. Josephs boxerische Courage verballhornt 215 Vgl. ebd. 216 KĂ€stner 1998a, S. 167 217 Ebd., S. 167f 218 Ebd., S. 168 219 Klabund 1998, S. 299 220 Ebd. 221 Ebd. 222 Ebd. 223 Ebd. 196 | Teilï»ż II.ï»ż Imï»ż Moderne-Labor
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Title
FAUST UND GEIST
Subtitle
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Author
Wolfgang Paterno
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Size
16.1 x 25.5 cm
Pages
446
Keywords
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und KapitelĂŒberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: LĂŒckenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und NebenschauplÀtze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten ErzÀhlliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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