Page - 207 - in FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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Ochsenschwanz […]: Kusch jetzt! Ihr könnt’s mich alle …! Seid’s froh, daß ich
meine Wut im Training auslassen kann, sonst weh’ euch. ([…] Er besteigt den
Trainierapparat im Hintergrund und setzt ihn in Bewegung. Die Maschine läuft
so, daß Ochsenschwanz bei jedem Viertel der Musik eine Vor- oder Rückwärtsbe-
wegung ausführt, also in jedem Takt einmal hin- und herfährt.)302
Gaston, der Tanzlehrer und Geliebte von Ochsenschwanz’ Ehefrau Evelyne, will
dem Boxer jedoch Übles und setzt die Maschine unter Strom; die Fäuste des
Sportlers werden durch die Elektrifizierung magnetgleich an die Haltegriffe des
Gerät gefesselt. Der Boxer, der seinen Körper durch Training in ein Präzisions-
werkzeug umgestalten will, wird in ein Musterbild der Hilflosigkeit transfor-
miert, wobei die Situation mit dem Auftritt eines Regierungsbeamten vollends
ins ĂĽbersteigert Absurde gleitet.
Ochsenschwanz […]: Schuft, was machst du? […] Was is’ los? Kann ich nicht her-
unter? Zu Hilfe! Ich bin elektrisiert!! (Arbeitet unentwegt an der unerbittlich laufen-
den Maschine.)
Evelyne und Gaston (herumtanzend, höhnisch zu Ochsenschwanz): Jetzt ist Freiheit
von diesem Mann! Seht, wie er sich jetzt helfen kann! […]
Ochsenschwanz (wütend, aber gebrochen): Da sitz’ ich jetzt, ich armer Schuft! Was
nützt mir jetzt meine ganze Kraft? Treten, treten, treten … […] Hört mich denn
kein Mensch?
Regierungsrat (Typus des modernen, republikanischen Beamten, jung, smart, ele-
gant, durch die AusgangstĂĽr, grĂĽĂźt, schneidig): Ehre, hohe Ehre! Sie sind auserse-
hen, unser Land zu vertreten bei der nächsten Olympiade. […]
Ochsenschwanz (heiser): Mensch, stellen Sie doch hier den Apparat ab – ich muß
herunter!
Regierungsrat: Keineswegs gehe auch nur eine Minute verloren Ihrem kostbaren
Training! Ihren Dank, als genossen betrachtet, referier’ ich dem Herrn Minister.
Sie sind die Ehre der Nation!303
Im Trainingssaal geht es drunter und drĂĽber. Training, das fĂĽr gesellschaftliche
Teilhabe garantieren soll, lässt das feine Zucken des Wahnsinns spüren.
302 Ebd., S. 180 (Hervorh. im Orig.)
303 Ebd., S. 180f (Hervorh. im Orig.) 207
Box-Demontage:
Faustkampf
in
der
elaborierten
Erzählliteratur |
FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Title
- FAUST UND GEIST
- Subtitle
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Author
- Wolfgang Paterno
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Size
- 16.1 x 25.5 cm
- Pages
- 446
- Keywords
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und KapitelĂĽberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: LĂĽckenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440