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Nach 1918
FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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Bei Brecht überschneiden sich im Boxen die Achsen von Alltagskultur, Sozia- lem und Ökonomischem – die übersichtliche Geometrie des Boxens mit seiner klaren Symbolik der Ereignisse und Ergebnisse löst sich zunehmend von seinem sportlichen Kontext und wird zur „Deskription lebensweltlicher Zusammenhän- ge“28 eingesetzt. Mit anderen Worten: Brechts Darstellung des Boxens erfasst mehr, als die kulturwissenschaftliche Sondierung inkohärenter Bruchstücke zu leisten vermag. Brechts vorrangiges Interesse gilt weniger der Durchformung des Menschen durch Drill und Effizienzdenken; die Trainingshallen der Boxer meidet er. Der Autor betrachtet den Sport vielmehr als eine Organisationsform, in die spezifische wirtschaftliche, prestigemäßige und massenmächtige Ökono- mien und Wissensformen hineinspielen. Brecht umkreist das ikonische System Boxen bekanntlich dergestalt, dass er neben „Lederjacke und Virginia-Zigarre“29 auch „Whiskyflasche und Punching- ball“30 als Zeichen boxsportlicher Signifikanz inventarisiert; das Trainingsinst- rument dient Brecht jedoch weniger zu Trainingszwecken und Körpertechni- sierung, mehr als Vorrichtung, die mit Alltagsroutinen kurzgeschlossen scheint. Im Manifest Sport und geistiges Schaffen antwortet Brecht auf eine Rundfrage in rhetorisch paradoxem Pathos. „Ich kann Ihnen eine kleine private Erfahrung mitteilen“31, notiert Brecht in der Tonlage vorgeblicher Vertrautheit: Vor einiger Zeit habe ich mir einen Punchingball gekauft, hauptsächlich weil er, über einer nervenzerrüttenden Whiskyflasche hängend, sehr hübsch aussieht und meinen Besuchern Gelegenheit gibt, meine Neigung zu exotischen Dingen zu be- kritteln, und weil er sie zugleich hindert, mit mir über meine Stücke zu sprechen. Ich habe nun gemerkt, daß ich immer, wenn ich (nach meiner Ansicht) gut gear- beitet habe (übrigens auch nach Lektüre von Kritiken), diesem Punchingball ei- nige launige Stöße versetzte, während ich in Zeiten der Faulheit und des körperli- chen Verfalls gar nicht daran denke, mich durch anständiges Training zu bessern.32 Die Begründung für den Erwerb und die Beschreibung des Punchingball-Ge- brauchs klingt in Zeiten der Sportheldenmaskerade und des Körperkraftkarne- vals wie blanker Hohn. Deutlich wird jedoch, dass sich Brecht im Gewande des Boxsportfans hier als Kritiker versteht – seine Ablehnung des Boxsportbooms und des Boxheldenmythos, von denen Brecht als Verkäufer seiner Boxsporttexte 28 Sicks 2004, S. 383 29 Meinhardt 1996, S. 132 30 Ebd. 31 Brecht 1992d, S. 123 32 Ebd. 241 „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen  |
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Title
FAUST UND GEIST
Subtitle
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Author
Wolfgang Paterno
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Size
16.1 x 25.5 cm
Pages
446
Keywords
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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