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FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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als Juror eines Lyrik-Wettbewerbs kürt Brecht, der Sportberichte mit größerem Interesse als Gedichte liest44, im Jahr darauf unter 400 Einsendungen Hannes Küppers Maschinen-Mensch-Eloge He! He! The Iron Man! zum Siegerpoem.45 Bereits 1921 findet sich in Brechts Tagebuch die Notiz: „Die schwarze Sucht des Gehirns: siegen.“46 Um 1926, stellt Kai Marcel Sicks in seiner Studie Sollen Dichter boxen? fest, übernehme bei Brecht die dem „Sport entlehnte Bildlichkeit auch in literarischen Prosatexten die Funktion, poetologische Überlegungen zu profilieren“47. Sicks spricht von einem „intrikate[n] Relationsgeflecht“48, das sich bei Brecht in der Verschaltung von Sport, Theorie und Literatur entfalte. Brechts exponierter Blick auf das Boxen mündet zu einem frühen Zeit- punkt in eine Kontroverse mit einem Hauptvertreter jener weit verbreiteten Denkhaltung, die davon ausgeht, dass sportive Betätigung tief in die Persona des Menschen dringe – und dabei das Primat maschinenartiger, mechanischer Leistungsleiblichkeit meint. Der Schriftsteller Frank Thiess propagiert das Ideal des gestählten, sportlich definierten Körpers, der kultivierende Wirkung auf das gesamte Wesen des Menschen hervorrufen solle, in einem 1926 in der Berliner Zeitschrift Uhu erstveröffentlichten Essay; seinen Kontra-Standpunkt zu Thiess’ Text fasst Brecht in kulturanalytische Essayistik.49 Brecht versucht Boxen als eine diskursive Verbindungsstelle zwischen dem sozialen und alltagskulturellen Feld zu etablieren – mit der wiederum der Bereich des Performativ-Individu- alistischen interagiert. Die Geburt des modernen Subjekts, verkörpert in der Zeitfigur des Boxers, erfolgt im Geflecht von Körpertechnologien, Institutio- nen, Subjektivierungen, Macht-Wissen-Formationen – in Praktiken öffentlicher Performanz, ausgetragen vor einem Massenpublikum. Dabei belässt Brecht der Figur des Boxers ihre Ambivalenzen: Es ist für den antibürgerlich gesonnenen Autor wohl von entscheidendem Vorteil, dass der Zeittypus mit den Attributen des Antibourgeoisen in Verbindung gebracht wird. Mit dem „edlen Schweiße“50, stellt dagegen Thiess in Dichter sollten boxen beharrend fest, werde man „allen möglichen Unrat los, Unrat des Blutes und des Geistes, Komplexe und unverdrängte Unbewußtheiten, dumme Gedanken und 44 Vgl. Witt 1996, S. 213 45 Vgl. Schütz 1986, S. 17; Knopf 1996b, S. 65; Gamper 1999, S. 154; Jeske 1984, S. 84; Gereon 2001 46 Brecht 1975, S. 162 47 Ebd. 48 Ebd., S. 367 49 Zu den diversen Aspekten der Publikationsgeschichte von Brechts sportessayistischen Schrif- ten, die das Nachdenken über Boxen einschließen, vgl. Witt 1996, S. 219; Junghanns 1997, S. 154 (Fußnote); Extra 2006, S. 194; Sicks 2004, S. 365 50 Thiess 1996, S. 16 244 | Teil II. Im Moderne-Labor
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Title
FAUST UND GEIST
Subtitle
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Author
Wolfgang Paterno
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Size
16.1 x 25.5 cm
Pages
446
Keywords
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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