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Nach 1918
FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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Auf Nachfrage präzisiert Brecht seine Methode des Schreibens304: Ich bitte ihn mir zu erzählen, wobei ich größten Wert auf seine Ansichten lege. Die Ansichten der Leute interessieren mich überhaupt mehr als ihre Gefühle. Die Gefühle werden meist von den Ansichten hervorgerufen. Sie laufen mit. Die An- sichten hingegen sind entscheidend. Nur die Erfahrung ist zuweilen in höherem Grade primär. Aber man weiß, daß nicht jede Ansicht ihre Quelle in der Erfah- rung hat.305 Brecht, der ausgesprochene Antipsychologist, hält sich beim Boxen eine Tür offen. Er zeigt sich als Vertreter einer „Denk- und Verhaltensströmung“306, die allenfalls in Maßen „Verbindungen zur Neuen Sachlichkeit“307 herzustellen sucht. Dem in seinen Augen neusachlichen Schematismus mit seinen Geboten, die Codexen gleichen – Nüchternheit, Antisentimentalität, Distanz, Präzision –, kann Brecht offenbar nicht allzu viel abgewinnen: „‚Sachlichkeit‘ fungiert als eine Form des Mitgehens, des In-der-Zeit-Seins:  Nicht nachhinken, keine Ressentiments wachsen lassen, keine alten Werte pflegen, sondern zusehen, was jetzt der Fall und zu tun ist.“308 Von dem „guten Alten“309, betont Peter Sloterdijk in diesem Zusammenhang ausdrücklich, könne man nicht zehren. Besser sei es, beim „schlechten Neuen anzusetzen“310. Brecht schlägt Boxen nicht nur einer differenzierten Körperkultkultur zu, sondern ordnet ihm auch Prozesse psychi- scher Dispositionen zu: Auf der Boxsportbühne erscheint, wie bereits gezeigt, ein Kämpfer in eigener Sache, der nicht mehr allein durch die Beherrschung ei- ner einzigen praktischen Diskursart festgelegt ist: Bärenstärke, Mechanisierung, Gigantomanie. Brechts Boxer sind geradezu verfangen in Expansionsbewegun- gen unterschiedlicher Körper-Geist-Relationen; Boxen ist zugleich Teil der zeitgenössischen Trends der Dynamisierung, Optimierung und Flexibilisierung. Wohl auch deshalb bezieht Brecht in den Lebenslauf Samson-Körners häufig Ansichten und Vorstellungen, Träume und Wünsche, psychologische Motivie- rungen und spezifische, sich wandelnde Gefühlslagen mit ein: Samson-Körner zeigt etwa Interesse an einer „Auswahl anderer Berufe“311, er sitzt in Bierbuden, 304 Zur Arbeitsmethodik Brechts im Lebenslauf vgl. Sicks 2004, S. 380, u. Knopf 1996b, S. 247 305 Ebd. 306 Witt 1996, S. 211 307 Knopf 1996b, S. 247 308 Sloterdijk 1983, S. 787 309 Ebd. (Hervorh. im Orig.) 310 Ebd., S. 789 (Hervorh. im Orig.) 311 Brecht 1997b, S. 217 277 „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen  |
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Title
FAUST UND GEIST
Subtitle
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Author
Wolfgang Paterno
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Size
16.1 x 25.5 cm
Pages
446
Keywords
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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