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wahnhaften Drang zu haltloser Gigantomanie und ĂŒberzogener Heroenpose56:
âDie gröĂte Boxertragödie aller Zeiten â der gröĂte Boxkampf des Jahrhunderts
â die gröĂten Eisenwerke Europas.â57 In dem 1931 veröffentlichten Text Als
Papa Tennis lernte beraubt Musil den Sport bereits gÀnzlich seiner Anziehungs-
und Strahlkraft durch knappen Kommentar: âDer Zeitgeist schafft sich eben
seine Werkzeuge.â58 Musil argumentiert weder aus der gesicherten Position des
Sportfanatikers noch aus jener des unĂŒberlegten Kritikers. Wie kaum ein ande-
rer literarischer Modernist setzt er sich im Mann ohne Eigenschaften und anderen
fiktionalen und essayistischen Texten âintensiv mit existierenden und möglichen
Sportmodellen und Sportlichkeit als Persönlichkeitsmerkmalâ59 auseinander.
âGegen die Tatsache, daĂ wir heute eine Körper-,Kulturâ besitzen, ist [âŠ] nichts
zu machenâ60, verharrt Musil in Als Papa Tennis lernte auf Beobachtungsposten
â und schlieĂt daran die grundsĂ€tzliche Frage an, die auf der Schnittlinie zwi-
schen Sportkult und modernem Denken liegt: âAber wessen Geisteskind ist sie
eigentlich?â61 Auf den Seiten von Als Papa Tennis lernte lĂ€sst sich auĂerdem die
literarische Chiffre fĂŒr Musils erweiterten Blick auf Boxen und Sport aufspĂŒren.
âEhe ich aber von diesem berĂŒhmten Geist beginneâ, schreibt Musil, âmuĂ ich
eine Geschichte erzĂ€hlen, die weitab davon anfĂ€ngt, jedoch bald dahinfĂŒhrt.â62
Der Autor stellt im Windschatten des reglementierten Duellstreitens enge und
umfassende Konnexe und KausalzusammenhÀnge zwischen höchst heterogenen
Elementen her, denen im Bildfeld Boxen wegweisender Charakter zukommt:
Erkenntniskritik; Physiologie; Psychotechnik; Trainingslehre; Technisierung;
Sport wird zum âwichtige[n] Bereich der Ich-Erfahrungâ63, zur buchstĂ€blichen
âBegegnung mit dem Dunkel eigener Körperlichkeit, mit dem Unbewuss-
tenâ64 â ein Vorgang, der fĂŒr viele von Musils Zeitgenossen von enigmatischem
Epochenhintergrund, von der âRelativitĂ€t aller Werteâ65, der âPluralitĂ€t wider-
spruchsvoller Ideenâ66 sowie der âDissonanz des bewussten und des unterbe-
56 Der Name Hitlers taucht hier nicht auf; im Apparateband zu den TagebĂŒchern findet sich der
Hinweis, dass die von Musil abgekĂŒrzte Formel âCâ entweder als Tarnchiffre fĂŒr Hitler verwen-
det oder von âCĂ€sar = Diktatorâ abgeleitet werde, vgl. Musil 1976b, S. 537
57 Musil 1976a, S. 746
58 Musil 1978h, S. 686
59 Fischer 1999, S. 31
60 Musil 1978h, S. 688
61 Ebd.
62 Ebd., S. 687
63 Baur 1980, S. 99
64 Ebd.
65 Bernett 1960, S. 146
66 Ebd.
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II.ï»ż
Imï»ż
Moderne-Labor
FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Title
- FAUST UND GEIST
- Subtitle
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Author
- Wolfgang Paterno
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Size
- 16.1 x 25.5 cm
- Pages
- 446
- Keywords
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und KapitelĂŒberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: LĂŒckenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und NebenschauplÀtze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten ErzÀhlliteratur 160
- âZeitfigurâ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440