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Nach 1918
FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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tellektuellen Radius richtet Musil an Goethe aus, dem Dichter ganzheitlichen Denkens und Handelns: „Übrigens wer war Göthe?“564, so Magenschlag. Ein Beobachter habe, beantwortet sich Faust selbst die Frage, bei seinem Weltmeis- terschaftskampf notiert, dass seine „Stöße eine reichere Intuition verraten als die Gedichte Göthes: ich halte ihn für den besseren. Er hat modernen Geist.“565 Tempora hält dagegen: „Sie sind ein Verächter des Geistigen, Faust Magen- schlag!“566 Musil macht auf die „automatisierte Sensationslust“567 aufmerksam, die zwischen „Dicht- und Boxkunst“568 keinen Unterschied mehr zu erkennen vermag. „Lebendig ist nur die Tat; ohne Gedanken!“569, lässt er Magenschlag deklamieren – und unterzieht ebendiesen Drang zur Tat radikaler Dekonstruk- tion: Magenschlag „zieht eine Spring Schnur [sic] aus der Tasche u. beginnt wie ein spielendes Kind darüber zu hüpfen“570. Er „trainiere die Strecker und Beuger der Beine“571, entgegnet Magenschlag die Frage nach dem Sinn der Übung. „Ich meine, warum tun Sie es so wild ohne Kultur?“572, staunt Tempora; man müsse doch den „Körpergeist üben“573, verkündet Magenschlags Gefährtin in hohler Ganzheitsphraseologie. „Sie müssen zwischen je zwei Sprüngen die Augen […] empor heben und etwas Tiefes über die hellenische Kultur denken“574, lässt Mu- sil Tempora in Sirenengesang ausbrechen: „Das ist die griechische Wanderung. Seele und Körperkraft wachsen in gleichem Maße.“575 Musil durchmustert im Magenschlag-Fragment den Katalog der zivilisatorischen Heilsversprechen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Wer sich den Vorgaben fügt, dem wird die Erlö- sung von Tempowahn und Technikfetischismus in Aussicht gestellt.576 Magen- schlag sei der „Inbegriff der Zeittugenden“577, schlussfolgert Musil. Der in die 564 Musil 1976a, S. 555 565 Ebd. 566 Ebd. 567 Fleig 2008, S. 202 568 Ebd. 569 Musil 1976a, S. 555 570 Ebd., S. 557 571 Ebd. 572 Ebd. 573 Ebd. 574 Ebd. 575 Ebd. 576 Es ist wohl kein Zufall, dass Musil den IV. Akt des Magenschlag-Fragments auf folgende Weise projektiert: „Allgemeines Heiraten, Satire darauf. […] Faust fürchtet Kühe, aber nicht den Stier. Wissenschaftliches Boxen. Hauptsache bleibt aber doch die Fähigkeit des Einsteckens.“ (Musil 1976a, S. 566) – Musil treibt den auf diesen Seiten bereits weiter oben untersuchten Trainier- wahn der Trivialliteratur so kritisch wie ironisch auf die Spitze 577 Ebd., S. 563 369 Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens  |
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Title
FAUST UND GEIST
Subtitle
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Author
Wolfgang Paterno
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Size
16.1 x 25.5 cm
Pages
446
Keywords
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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