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Nach 1918
FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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sicht des „Lebensgemisch[s]“635, dem sich Ulrich ausgeliefert sieht, steigert sich das Boxen zu einem funktionstĂŒchtigen Entwurf körpergeistiger Organisation – auch wenn das Boxen selbst von einem unĂŒbersichtlichen körperlichen und geistigen Wissensfilz geprĂ€gt sein mag. Musil nĂ€hert sich deshalb zuallererst den mit Boxen einhergehenden EntrĂŒckungszustĂ€nden und Interferenzzonen, in denen sich körperliche und geistige Aspekte mischen und binden: Einerseits vermittelt das Boxen Einblicke in eine egoistisch aufgelöste SozietĂ€t samt de- ren erodierender „Wertehierarchie“636; Ulrich unterziehe sich, so Anne Fleig, auch deshalb regelmĂ€ĂŸigem Training, um seine „MĂ€nnlichkeit zu stĂ€hlen und an die Anforderungen des ,Seinesgleichen‘ anzupassen“637. Andererseits eröffnet der Sport einen Zugang in die „komplizierte seelische Tiefengliederung“638 des einzelnen Individuums. Die Argumentation der Figur Ulrichs lĂ€uft in den Kul- turwissenschaften hĂ€ufig auf die Dichotomien von Sportler und Denker, Geist und GefĂŒhl, PassivitĂ€t und Aktivismus hinaus, auf die „Spannung zwischen Be- wusstsein und VitalitĂ€t“639 – ohne dass die Dualismen dabei aber aufgehoben wĂŒrden: Boxen lĂ€sst Musil insofern als ein in seinen komplexen AblĂ€ufen nach- vollziehbares Geschehen manifest werden, das zahllose Fragen der kulturellen und gesellschaftlichen Moderne, von KörperĂ€sthetik und Selbstwahrnehmung miteinander verknĂŒpft und aufwirft. In Ulrich sind jene Verflechtungszusam- menhĂ€nge angelegt, die ihn dazu befĂ€higen, auf die MentalitĂ€ten und kultu- rellen Muster seiner Zeit angemessen zu reagieren. FĂŒr Ulrichs „Drang zum Angriff auf das Leben und zur Herrschaft darĂŒber“640 hat Musil im Mann ohne Eigenschaften ein einprĂ€gsames Bild entworfen. Als ein Ausdruck gĂ€ngigen di- chotomen Denkens konstatiert der Autor zunĂ€chst, dass das Dasein des Manns ohne Eigenschaften weitestgehend von Gewalt und Liebe bestimmt sei: „In die- sen beiden BĂ€umen wuchs getrennt sein Leben.“641 Die Ineinssetzung und das Ineinandergreifen der getrennt wahrgenommenen Bereiche diskutiert Musil in einem nĂ€chsten Schritt: Wie lasse sich, fragt er, Ulrichs Lebensweg – nach der MilitĂ€rzeit studiert er Ingenieurwesen und wendet sich dann der Mathematik642 zu, bevor er sich seines „Lebens auf Urlaub“643 widmet – und sein Verlangen 635 Ebd. 636 Gamper 1999, S. 140 637 Fleig 2008, S. 214 638 Lethen 1994, S. 53 639 Bernett 1960, S. 145; vgl. Fischer 1986a, S. 50: „Lediglich im Bereich der Sinnlichkeit scheinen GegensĂ€tze irgendwie aufgehoben.“ 640 Musil 1989a, S. 592 641 Ebd. 642 Vgl. ebd., S. 35ff 643 Ebd., S. 801; vgl. ebd., S. 47 378 | Teilï»ż II.ï»ż Imï»ż Moderne-Labor
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Title
FAUST UND GEIST
Subtitle
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Author
Wolfgang Paterno
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Size
16.1 x 25.5 cm
Pages
446
Keywords
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und KapitelĂŒberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: LĂŒckenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und NebenschauplÀtze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten ErzÀhlliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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